Geschichte(n) rund ums IfZ

Vor 45 Jahren, am 10. März 1972, wurde das Hauptgebäude des Instituts für Zeitgeschichte an der Münchner Leonrodstraße eingeweiht. Der markante Siebziger-Jahre-Bau mit seiner Stahlbetonstruktur und dem Bücherturm als besonderem „Wahrzeichen“ ist mittlerweile selbst ein beredtes Architekturzeugnis seiner Zeit geworden. Bibliotheksleiter Daniel Schlögl hat alte Architekturzeitschriften und Berichte ausgewertet und interessante Details erfahren.

 

 

Bereits 1963 hatte der Stiftungsrat des IfZ den dringenden Bedarf einer räumlichen Erweiterung für das äußerst beengt in der Möhlstraße 26 untergebrachte Institut festgestellt. Zwei Jahre später folgte der Beschluss zur Errichtung des Neubaus. Nachdem die Finanzierung durch Bund, Land Bayern und die Stiftung Volkswagenwerk geregelt, das Grundstück erworben und die Planung abgeschlossen war, erhielt schließlich der Architekt Sepp Pogadl den Bauauftrag. Nach zweijähriger Bauzeit und Gesamtausgaben in Höhe von 8.391.800 DM war der Institutsneubau fertig. Als dessen gestalterische Besonderheiten nannte die zeitgenössische Deutsche Bauzeitschrift die „Baukörperform nach Nutzung, gestaffelte Geschosse, strukturierte Stahlbetonfertigteile" sowie die "Innenausstattung in schalrauhem Sichtbeton und Teppichböden". Der Bau gilt als Beispiel des Architekturstils „Brutalismus“, eine Bezeichnung, deren Ursprung unter anderem im französischen Begriff béton brut (‚roher Beton‘) liegt. Er verweist auf ein wesentliches Definitionsmerkmal des Stils, nämlich die Materialsichtigkeit des Baus.

 

 

Anhand der prominenten Rednerliste der offiziellen Einweihungsfeier wird deutlich, als welch großer Schritt der Bezug des Neubaus in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurde: Ansprachen hielten Ministerpräsident Alfons Goppel, der Staatsminister für Unterricht und Kultus Hans Maier, die Staatssekretärin im Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft Hildegard Hamm-Brücher, der Institutsdirektor Helmut Krausnick, der Stiftungsratsvorsitzende Emil Kessler, der stellvertretende Beiratsvorsitzende Walter Bußmann sowie das Mitglied des Gründungskomitees und langjährige Stiftungsratsmitglied Staatssekretär i. R. Walter Strauß. Abgerundet wurde der Festakt mit einem Vortrag des stellvertretenden Institutsdirektors Martin Broszat, der bereits gut ein Vierteljahr später die Nachfolge Krausnicks antreten sollte, so dass der Bezug des neuen Gebäudes zugleich annähernd mit einer wichtigen personellen Zäsur der Institutsgeschichte zusammenfällt.

 

In seiner Festrede vom 10. März 1972 würdigte Alfons Goppel die Bedeutung des IfZ für den demokratischen Neuaufbau: Die "nüchterne wissenschaftliche Arbeit" habe psychologische Belastungen im Verhältnis zu den europäischen Nachbarn mit abgebaut und Brücken geschlagen. Der Begriff "nüchtern" findet sich auch in einem Artikel der Architekturzeitschrift "Beton Prisma" wieder, in dem das ästhetische Konzept des Gebäudes in Wort und Bild vorgestellt und gefeiert wird: Die "Analytiker der Zeitgeschichte" arbeiteten in einem "Haus, das der Bedeutung ihrer Aufgabe Gerechtigkeit widerfahren" lasse. Das Bauwerk lasse "auf den ersten Blick die nüchterne Analyse erkennen, mit der auch der Architekt zu Werke ging". Den unterschiedlichen Teilen des Baukörpers sei ihre Funktion jeweils deutlich ablesbar. "Die drei Bereiche harmonisieren trotz strenger Teilung und bilden ein Ganzes, dessen wie gekämmt wirkende Außenflächen den gegenwärtigen Trend zur ebenso sorgsam wie raffiniert strukturierten Wandgestaltung berücksichtigen." Für "Geschichtswissenschaftler mit einem besonders engen Verhältnis zur Gesamtschau der Gegenwart" errichtet, spiegele "dieser Neubau, bei aller Sachlichkeit und Funktionalität, den Geist der Zeit wider [...], den 'Hauch der Zeitatmosphäre, den man kennen muß', wie der Historiker Friedrich Meinecke einmal schrieb." Oder mit den Worten des Architekten Sepp Pogadl ausgedrückt: „Jede Zeit stellt sich selbst dar in ihrem zeitgebundenen Handeln, auch durch die Werke der Architektur. Sie spiegeln den Versuch wider, den Zeitgeist am konkreten Objekt sichtbar werden zu lassen.“

 

Die Bilder sowie die Zitate zur Architektur entstammen dem Artikel „Konservierte Gegenwart – Im Institut für Zeitgeschichte in München“ aus der Zeitschrift Beton Prisma Nr. 23 (1972), S. 2-5. Der Bericht von Helmut Krausnick über die Einweihungsfeier findet sich in den Vierteljahrsheften für Zeitgeschichte, Heft 20/2 (1972), S. 204 f. und ist online unter der Adresse <link file:4744>www.ifz-muenchen.de/heftarchiv/1972_2_6_notizen.pdf</link> nachlesbar.



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