Hilfsmittel in "stürmischer See der Politik"

Seit 1990 bearbeitet das Institut für Zeitgeschichte die "Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland (AAPD)". Mit einem Festakt mit Außenminister Steinmeier wurde das 25-jährige Bestehen der Edition nun im Auswärtigen Amt gefeiert.

 

 

Der Europasaal des Auswärtigen Amts war festlich geschmückt, als ihn Bundesminister Frank-Walter Steinmeier zusammen mit dem Herausgebergremium der Akten zur Auswärtigen Politik (AAPD) und der Leiterin des Politischen Archivs am Donnerstagabend betrat. Der Festakt zum 25-jährigen Jubiläum der AAPD begann mit einer Darbietung des dritten Satzes von Beethovens Klaviersonate Nr. 17 d-Moll, "Der Sturm". Das musikalische Motiv spiegelte sich auch in den Grußworten des Ministers: Er lobte die Edition als Hilfsmittel in der "stürmischen See der Politik" und dankte dem Institut für Zeitgeschichte für die Herausgabe von mittlerweile 60 Bänden mit weit mehr als 10.000 Dokumenten. Steinmeier betonte die fortdauernde politische Aktualität der Edition. Er zitierte aus den AAPD einen Satz, den der ebenfalls anwesende Egon Bahr am 17. Februar 1970 gegenüber dem sowjetischen Außenminister Gromyko äußerte: "Es müsse klar sein, dass die Respektierung der territorialen Integrität aller Staaten, die Achtung aller Grenzen nicht nur Sache des heutigen Tages sei."

 

Anschließend gab Horst Möller als scheidender Hauptherausgeber einen Rückblick auf das vergangene Vierteljahrhundert editorischer Arbeit. Er hob den Mut des Auswärtigen Amts hervor, ein unabhängiges wissenschaftliches Institut mit der Herausgabe der Dokumente zu beauftragen, und lobte die Liberalität bei der Aktenfreigabe. Diese stelle kein Risiko für das Auswärtige Amt dar, sondern bedeute vielmehr einen Gewinn für dessen Ansehen. Die Dauer der gesetzlichen Aktensperrfrist von 30 Jahren bezeichnete er als guten Kompromiss zwischen dem Wunsch der Diplomaten nach Geheimhaltung und dem Bedürfnis der Öffentlichkeit nach Transparenz und Information - ein Spannungsverhältnis, das ausgehalten werden müsse. Möller dankte abschließend allen an der Edition Beteiligten für ihren Einsatz. Sein besonderer Dank ging an das Auswärtige Amt, insbesondere für dessen Entscheidung, zusätzlich zu der Finanzierung der jährlich entlang der 30-Jahres-Frist erscheinenden AAPD-Bände auch Mittel für die Herausgabe der noch ausstehenden Jahrgänge 1954 bis 1961 bereitzustellen.

 

 

 

"Vorgeschichte unserer Gegenwart"

 

In ihrem Festvortrag nahm Hélène Miard-Delacroix, seit Januar diesen Jahres Mitherausgeberin der Edition, den neuerschienenen AAPD-Jahrgang 1984 als Ausgangspunkt, um über die "Vorgeschichte unserer Gegenwart" zu reflektieren. Sie stellte fest, dass das Jahr 1984 zu einer Epoche gehört, die wir als zweifelsfrei vergangen empfinden, zumal es vor der Zäsur von 1989/90 liegt. Trotzdem lassen sich im Rückblick eine Reihe von Entwicklungen identifizieren, die entweder für diese Zeitenwende bedeutend wurden oder über sie hinaus wichtig blieben und zum Teil sogar erst heute ihre volle Wirkung entfalten. So war 1984 das Ende der DDR nicht absehbar, auch wenn sich die Krisenzeichen mehrten. Aber das konsequente Offenhalten der deutschen Frage durch alle Bundesregierungen seit 1949 hatte zur Folge, dass die DDR-Bürger, die 1984 in die Prager Botschaft der Bundesrepublik flüchteten, sich auf eine einheitliche deutsche Staatsbürgerschaft berufen konnten. Dies bildete eine Grundvoraussetzung für die Wiedervereinigung im Jahr 1990. In Moskau regierte zwar noch der kranke Generalsekretär Tschernenko, doch begann schon der politische Aufstieg des Politbüro-Mitglieds Gorbatschow.


Auch setzte sich die Entwicklung der Bundesrepublik hin zu einem gleichwertig anerkannten Mitglied der Staatengemeinschaft fort. So sehr hatte sich ihr Ansehen gewandelt, dass die Abwesenheit eines bundesdeutschen Vertreters bei den Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der Landung der Alliierten in der Normandiem dem französischen Staatspräsidenten Mitterand anachronistisch erschien. Ähnliches belegt die Diskussion in diesem Jahr über mögliche Einsätze der Bundeswehr außerhalb des NATO-Bündnisgebiets. Während diese von den NATO-Partnern durchaus befürwortet wurden, lehnte die Bundesregierung unter Verweis auf das Grundgesetz sie weiterhin ab. Andere Entwicklungen jedoch, die sich 1984 abzuzeichnen begannen, wurden damals nicht erkannt oder zumindest unterschätzt. Dazu gehört zweifellos der beginnende Aufstieg Chinas zu einer Welt- und Wirtschaftsmacht. Auch wüssten wir heute als "zeitversetzte Besserwisser", wie Miard-Delacroix es formulierte, dass der erste Golfkrieg zwischen Iran und Irak in einer langen Reihe von ungelösten Konflikten zwischen Sunniten und Schiiten gesehen werden muss, die noch in der Gegenwart den Nahen und Mittleren Osten erschütterten.

 

 

 

Unverzichtbarer Schulterschluss

 

Aber die Beschäftigung mit der nahen Vergangenheit kann auch eine Quelle der Ermunterung oder gar Inspiration sein. Für Miard-Delacroix liegt diese in der Geschichte der europäischen Integration. Die Historikerin verwies auf die EG-Süderweiterung in den 1980er Jahren, bei der Staaten wie Griechenland, Spanien und Portugal, die sich erst wenige Jahre zuvor zu Demokratien gewandelt hatten, in die Gemeinschaft aufgenommen wurden, und verglich dies mit der Aufnahme der ostmitteleuropäischen Staaten im Jahr 2004. Anhand einer in den AAPD veröffentlichten Aufzeichnung vom August 1984 über die Ziele der deutschen Europapolitik, in der eine Vertiefung der Integration auf den Gebieten Außen-, Verteidigungs- und Wirtschaftspolitik gefordert wird, machte sie deutlich, wie aktuell noch heute Überlegungen sind, die vor 30 Jahren zu Papier gebracht wurden. Unverzichtbar für jeden europapolitischen Fortschritt jedoch sei ein deutsch-französischer Schulterschluss, wie ihn Bundeskanzler Kohl und Staatspräsident Mitterand auf dem Friedhof von Verdun im September 1984 zum Ausdruck brachten, als sie sich die Hände reichten.

 

Weitere Informationen zum 25-jährigen Bestehen der AAPD finden Sie <link http: www.ifz-muenchen.de aktuelles artikel datum aussenpolitik-wird-zeitgeschichte external-link-new-window external link in new>hier.



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