„Einmarsch in Polen“

Kardinal Faulhabers Tagebuch aus dem Jahr 1939 ist jetzt online

Die Tagebücher des früheren Erzbischofs von München und Freising, Michael Kardinal von Faulhaber, die seit 2015 in einer Online-Edition zugänglich gemacht werden, sind um einen weiteren Jahrgang ergänzt worden: Auf der Seite www.faulhaber-edition.de hat das Forscherteam des Instituts für Zeitgeschichte München−Berlin und des Seminars für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte der Universität Münster nun den Jahrgang 1939 freigeschaltet.

Die Attacke des nationalsozialistischen Mobs auf das Erzbischöfliche Palais in der Nacht vom 11. auf den 12. November 1938 wirft ihre Schatten auch auf das neue Jahr. Die Schutzmaßnahmen am Gebäude werden auf Anweisung Faulhabers weiter verstärkt. Am 3. und 4. Januar erfolgt der Einbau zentnerschwerer Eisentüren auf dem Balkon. Wenige Tage nach dem Tod von Papst Pius XI. am 10. Februar reist der Kardinal zum Konklave nach Rom und kehrt erst Mitte März nach München zurück. Über das Jahr hinweg plagen den inzwischen siebzigjährigen Faulhaber massive gesundheitliche Probleme, die breiten Niederschlag im Tagebuch finden und zeitweise eine beinahe tägliche ärztliche Betreuung erfordern. Erst am 3. November kann er „nach etwa fünf Monaten“ wieder „eine kirchliche Funktion außerhalb des Hauses“ ausüben, wie es im Tagebuch heißt.

Aufschlussreich aber ist, worüber sich der Erzbischof in seinem Tagebuch 1939 ausschweigt. Hatte er im Herbst 1938 erleichtert die Lösung der sogenannten Sudetenkrise begrüßt und ein „Friedenstelegramm“ der deutschen Kardinäle an Adolf Hitler angeregt, um ihn zu seiner „Friedenstat“ zu beglückwünschen, so wird die sogenannte Zerschlagung der Rest-Tschechei im März, ein Bruch des Münchner Abkommens, im Tagebuch 1939 nicht erwähnt. Noch mehr erstaunt, dass der weltweit aufsehenerregende deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt vom 23. August übergangen wird. Hatte doch Hitler die katholische Kirche immer wieder - und den Erzbischof Faulhaber persönlich am 4. November 1936 auf dem Obersalzberg - zum entschlossenen Kampf gegen den gemeinsamen ideologischen Todfeind, den Bolschewismus, aufgerufen. Vor diesem Hintergrund kann Faulhabers lapidarer Eintrag während seines Aufenthaltes im Ketteler-Haus in Bad Nauheim vom 24. August bis zum 8. September kaum noch überraschen: „In dieser Zeit Einmarsch in Polen“. Ob der Erzbischof dem neuerlichen „Friedensappell“ Hitlers vom 6. Oktober an die Adresse Londons noch Glauben schenkt, erschließt sich aus dem einschlägigen Eintrag nicht eindeutig. Doch notiert er: „[D]ie große Rede des Führers über Polen und den Frieden.“

Dem fehlgeschlagenen Attentat auf Adolf Hitler im Bürgerbräukeller, das acht Todesopfer und zahlreiche Verletzte forderte, widmet Faulhaber am 8. und 9. November dagegen jeweils einen kompletten Tagebucheintrag. Mit Telegramm vom 9. November an Hitler verurteilt der Erzbischof das „verabscheuungswürdige Verbrechen“ und gibt seiner Hoffnung Ausdruck, dass Gott auch in Zukunft „seinen schützenden Arm“ über ihn halten werde.

Der Jahrgang 1939 in Kardinal von Faulhabers Tagebuch