„Kritischer Tag, weil im Hitler-Prozeß das Urteil verkündet wird.“

Kardinal Faulhabers Tagebücher aus den Jahren 1924, 1925 und 1926 gehen online


Die Tagebücher des früheren Erzbischofs von München und Freising, Michael Kardinal von Faulhaber, die seit 2015 in einer Online-Edition zugänglich gemacht werden, sind um drei weitere Jahrgänge ergänzt worden: Auf der Seite www.faulhaber-edition.de hat das Forscherteam des Instituts für Zeitgeschichte München−Berlin und des Seminars für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte der Universität Münster nun die Jahrgänge 1924, 1925 und 1926 freigeschaltet.

1924

Bis in das Frühjahr 1924 hinein wirft der gescheiterte Hitler-Ludendorff-Putsch vom 8./9. November 1923 seine Schatten. Ende Februar beginnt in München in der Infanterieschule der Hitler-Prozeß. Kardinal Faulhaber, der sich Mitte März nach Bad Adelholzen zurückgezogen hatte, ist schon nach wenigen Tagen gezwungen, seinen Erholungsurlaub beim Orden der Barmherzigen Schwestern zu unterbrechen, um durch eine Erklärung auf persönliche Angriffe des Generals a.D. und Putschisten Erich Ludendorff vor Gericht zu reagieren. Den 1. April, den Tag der Urteilsverkündung gegen Hitler, Ludendorff und ihre Mitverschwörer, erlebt Faulhaber in Spannung, weil Demonstrationen von Völkischen und Nationalsozialisten, die ihn weiterhin mitverantwortlich für das Scheitern des November-Putsches machen, vor dem Erzbischöflichen Palais angemeldet sind. Wenige Tage später, am 6. April, finden in Bayern Landtagswahlen statt. Das unerhörte Ergebnis der Völkischen, die landesweit 17 Prozent und in München gar 34 Prozent der abgegebenen Stimmen erhalten, überrascht den Erzbischof nicht, seien diese im Wahlkampf doch mit amerikanischer Reklame und der Stoßkraft des Neuen aufgetreten. Mit Herzbeschwerden erlebt Faulhaber die Siegesfeiern des völkisch-nationalen Blocks am nächsten Tag. Putschgerüchte, die im November zum ersten Jahrestag des gescheiterten Staatsstreichs in München kursieren, nennt er Gespensterfurcht. Mit Erleichterung und Freude registriert der Erzbischof schließlich den Zusammenbruch der völkischen Großmaultruppe bei den Wahlen vom 7. Dezember.

1925

Anlässlich der Beisetzung des Reichspräsidenten und Sozialdemokraten Friedrich Ebert am 5. März untersagt Faulhaber Kirchengeläute in der Erzdiözese München und Freising: Wir läuten nicht. Die Eröffnung des Deutschen Museums Anfang Mai und die damit einhergehenden Feierlichkeiten, die in einem äußerst üppigen Festessen für knapp zweieinhalb Tausend Gäste gipfeln, kommentiert der Erzbischof mit den Worten: Gott sei Dank, dass man nicht öfter so etwas mitmachen muss. Die Vereidigung des Nachfolgers von Friedrich Ebert im Reichspräsidentenamt, des populären Monarchisten und Kriegshelden, Paul von Hindenburg, am 12. Mai nennt Faulhaber ein schweres Ärgernis, denn er hat früher einen anderen Eid geleistet und durch sein persönliches Ansehen wird der republikanische Gedanke gestärkt. Beflaggung kirchlicher Gebäude oder Kirchenglockengeläut zu Ehren des neuen Staatsoberhauptes lehnt Faulhaber erneut ab, weil wir unsere Häuser und unsere Glocken nicht in alle politischen Dinge hereinzerren lassen.

1926

Zu Beginn des neuen Jahres sieht Michael von Faulhaber mit Hindenburg die Republik gefestigt. Doch nur wenig später spalten das von der KPD initiierte und von der SPD unterstütze Volksbegehren zur Enteignung der Fürstenvermögen sowie der daran anschließende Volksentscheid vom 20. Juni das deutsche Volk. Mit Rücksicht auf die bereits bestehende Erregung im Volke möchte Faulhaber eine öffentliche Stellungnahme des Episkopats in dieser Frage zunächst vermeiden. Doch am 1. Juni lehnt der deutsche Episkopat in einer gemeinsamen Erklärung die Fürstenabfindung ab. Begründet wird dies mit den Grundsätzen des Eigentumsrechtes, die ihr Fundament in der natürlichen sittlichen Ordnung besäßen, und dem Verweis auf das 7. Gottesgebot („Du sollst nicht stehlen“). Drei Tage später bricht Kardinal Faulhaber zum Internationalen Eucharistischen Kongress in Chicago auf und kehrt am 2. August aus den USA zurück. Die Hundert-Jahr-Feier der LMU München am 27. November missfällt ihm. Er nimmt weder am Empfang in der Universität am Vorabend, noch am Bankett oder am Festkommers teil. Die Festrede des protestantischen Rektors Karl Vossler bezeichnet er als Putzfrauenrede, die Universitätsfeier eine deutschnationale Propagandafeier. Sein Postskriptum zu den Feierlichkeiten schließt der Erzbischof mit den Worten: Das ist der Lohn und das Echo davon, dass die bayerischen Könige norddeutsche Lichter an ihre Universitäten gerufen.



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