Die überforderte Behörde

Vortragsreihe zur Geschichte der Treuhandanstalt

Wie kaum eine andere Institution steht die Treuhandanstalt für die Wirren und Verwerfungen der Wendejahre und sorgt noch heute für kontroverse Debatten. Seit dem Jahr 2017 arbeitet das Institut für Zeitgeschichte in einem großangelegten Forschungsprojekt an einer historischen Bestandsaufnahme und durchleuchtet in mehreren Einzelprojekten die Geschichte der Treuhandanstalt. Bislang haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des IfZ rund 1.880 Akten aus dem Aktenbestand im Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde eingesehen. Darüber hinaus wurde in über 40 weiteren staatlichen und privaten Archiven in sechs Ländern gearbeitet und recherchiert.

Nach inzwischen drei Forschungsjahren hat das IfZ bereits umfangreiche Erkenntnisse gewonnen: So zeigt sich, dass neben der Treuhandanstalt zahlreiche Akteure an der Privatisierung der Betriebe in den neuen Bundesländern beteiligt waren. Die Treuhandanstalt erwies sich dabei als Fremdkörper im Verfassungsgefüge der Bundesrepublik: Die Politik hatte ihr Aufgaben übertragen, mit denen sie Kompetenzen der Länder berührte. Daher waren Konflikte mit den Landesregierungen in den neuen Bundesländern vorprogrammiert.

Weder auf ostdeutscher noch auf westdeutscher Seite war ein Masterplan zur Transformation der Wirtschaft in den neuen Bundesländern vorhanden. Auf westdeutscher Seite stand Anfang 1990 zunächst nur eine Währungsunion zwischen den beiden deutschen Staaten im Vordergrund der Überlegungen. Erst kurz vor der Verabschiedung des Vertrags über die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion rückte die Frage nach der Zukunft des volkseigenen Vermögens in der DDR in den Mittelpunkt. Dabei, so belegen die Akten, war die Privatisierung der Betriebe nicht alternativlos. Sie verlief in den einzelnen Betrieben auch höchst unterschiedlich, hing von mehreren Faktoren ab und erstreckte sich im Einzelfall über mehrere Jahre.

Nicht zuletzt betont das Forschungsprojekt die weitreichenden sozialen und mentalen Folgen des Transformationsprozesses in den ostdeutschen Bundesländern. Die Transformation der Wirtschaft führte nicht nur zu Massenarbeitslosigkeit, sondern brachte auch ein Stadt-Land-Gefälle zum Vorschein: Anfang 1991 setzte sich in der Öffentlichkeit immer mehr der Eindruck von abgehängten Regionen in Ostdeutschland durch.


Das öffentliche Urteil über die Treuhandanstalt ist in Deutschland nach wie vor fast einhellig negativ. Die Öffnung der Treuhandakten ermöglicht nun einen neuen, differenzierten Blick auf die umstrittene Institution. In einer gemeinsamen Vortragsreihe mit der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur geben die Historikerinnen und Historiker des IfZ-Projekts gemeinsam mit weiteren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern einen Überblick über die aktuellen Forschungsergebnisse.

Die Vorträge beginnen um 18:00 Uhr und werden bis auf Weiteres live aus dem Veranstaltungssaal der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur in der Kronenstraße 5 in 10117 Berlin-Mitte übertragen.

Sie können den Vorträgen auf Youtube folgen unter: www.bundesstiftung-aufarbeitung.de/de/treuhand-live.



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