Inhaltlich schließt das Projekt an das seit einigen Jahren stark gestiegene Interesse am Umgang der obersten Bundes- und Landesbehörden mit NS-Belastungen an. Doch beschränkt es sich nicht, wie dies meistens der Fall ist, auf eine Institution: Erstmals wird stattdessen der personelle und funktionale Gesamtzusammenhang einer Landesregierung von der Ministeriumsspitze bis hinunter auf die Vollzugsebene in den Blick genommen. Als einziges großes Flächenland, das nach 1945 seine territoriale und administrative Kontinuität fortsetzen konnte, bietet Bayern dafür ein herausragendes Untersuchungsfeld. Analysiert werden erstens Karriereverläufe, individuelle Prägungen und Personalpolitik. Zweitens geht es um Verwaltungspraxis, Leitideen und Handlungsroutinen. Drittens wird untersucht, wie die unterschiedlichen Akteursgruppen ihre Vergangenheit(en) deuteten und welche internen und öffentlichen Auseinandersetzungen sich damit verbanden. Dieser Ansatz verschränkt die Perspektiven auf Akteure, Handeln und Wahrnehmungen systematisch. Dadurch wird es möglich, den Begriff der "NS-Belastung" neu zu fassen und von seiner unbefriedigenden Bindung an formale Kriterien wie Mitgliedschaft in NS-Organisationen zu lösen. Die Auswahl der näher untersuchten Handlungsfelder konzentriert sich auf Gebiete, die in die Kompetenz der Bundesländer fielen. Mit diesen Spezifika befriedigt das Forschungsprojekt den gesellschaftspolitischen Bedarf an wissenschaftlich fundierter Aufklärung und eröffnet zugleich zeitgeschichtliches Innovationspotenzial.