Ein neues Forum für die europäische Holocaust-Forschung

München (30.1.2019) Mit einem neuen englischsprachigen Jahrbuch will das Institut für Zeitgeschichte München-Berlin ein publizistisches Forum für die europäische Holocaust-Forschung schaffen. Unter dem Titel "European Holocaust Studies" (EHS) wird künftig jährlich ein themenspezifischer Sammelband erscheinen, der den aktuellen Stand der europäischen Forschung bündeln und stärker mit der internationalen Forschung in den USA und Israel vernetzten soll. Band 1 ist nun im Wallstein-Verlag erschienen: Autorinnen und Autoren aus ganz Europa widmen sich darin den rechtspopulistischen und autoritären Regimen und dem wachsenden Antisemitismus im Europa der 1930er Jahre.

Herausgegeben von Frank Bajohr, Andrea Löw und Andreas Wirsching will die Reihe die vielfältige, mitunter sehr zersplitterte Forschungslandschaft in Europa sichtbarer machen und dabei auch eine Brücke nach Osteuropa bauen. International besetzt ist so auch der Wissenschaftliche Beirat des Projekts: Zu ihm zählen Alan Steinweis (USA), Doris Bergen (Kanada), Elizabeth Harvey (Großbritannien), Johan Chapoutot (Frankreich), Karel Berkhoff (Niederlande), Havi Dreyfus (Israel), Edyta Gawron (Polen), Dieter Pohl (Österreich), Ilya Altman (Russland) und Diana Dumitru (Moldawien). Jeder Band hat einen spezifischen thematischen Fokus, auf den sich alle Beiträge - Forschungsergebnisse, Berichte über laufende Forschungsprojekte, Rezensionen, Editionen von bisher unbekannten Dokumenten und Essays - konzentrieren.

Der Auftaktband wird von Frank Bajohr und Dieter Pohl herausgegeben und trägt den Titel „Right-Wing Politics and the Rise of Antisemitism in Europe 1935-1941“. Frank Bajohr, Mitherausgeber und Leiter des Zentrums für Holocaust-Studien am Institut für Zeitgeschichte, will damit bewusst an brisante Gegenwartsentwicklungen anknüpfen: „Der Band weist einen gewollten Aktualitätsbezug auf, wirft doch der gegenwärtige Aufschwung des Rechtspopulismus in Europa und der Welt die Frage nach historischen Vorläufern auf.“ Deshalb richtet sich der Blick auf die 1930er Jahre, als in Europa zahlreiche autoritäre, faschistische und rechtspopulistische Regime an die Macht kamen und noch vor Beginn des Holocaust eine antisemitische Ausgrenzungspolitik einleiteten. Diese hatte in der Konsequenz auch eine ungelöste Flüchtlingskrise zur Folge, die unter anderem zu den hohen Opferzahlen im Holocaust führte. „Konkret wird gefragt: War dieser Antisemitismus vor allem ein Exportartikel des nationalsozialistischen Deutschlands? Wie wurde die Judenverfolgung in Deutschland im restlichen Europa und der Welt wahrgenommen? Oder beruhte die antisemitische Politik auf indigenen Entwicklungen in den jeweiligen Ländern, die sich unter dem Eindruck der Weltwirtschaftskrise und gesellschaftlichen Leitbildern ethnischer Homogenität Bahn brachen? Gab es in Europa nennenswerte Gegenkräfte gegen diese Entwicklung?“ Länderstudien aus vielen Teilen Europas liefern dazu im Band 1 der European Holocaust Studies ein facettenreiches Bild.

European Holocaust Studies

Herausgegeben im Auftrag des Instituts für Zeitgeschichte von Frank Bajohr, Andrea Löw und Andreas Wirsching, Band 1

Frank Bajohr und Dieter Pohl (Hg.): Right-Wing Politics and the Rise of Antisemitism in Europe 1935-1941, Göttingen 2019, 270 S., 38 Euro, ISBN: 978-3-8353-3347-5