Eine Frage der Weltordnung? Flucht und humanitärer Interventionismus im Mittleren Osten, 1979-1991

Abgeschlossenes Projekt

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (IfZ):  Dr. Agnes Bresselau von Bressensdorf
Projektinhalt:

Flucht und Humanitarismus entwickelten sich seit den späten 1970er Jahren zu einem globalen Politikfeld. Auf der Suche nach Strategien im Umgang mit der steigenden Zahl an Geflüchteten und humanitären Notsituationen rückten die verschiedenen Gewaltkonflikte des Mittleren Ostens in den Blick: Der sowjetische Einmarsch in Afghanistan 1979 ließ Millionen Menschen in die Nachbarstaaten fliehen und führte zu einer immensen Mobilisierung der westeuropäischen Zivilgesellschaft. Im Vergleich dazu erhielten die Geflüchteten des Iran-Irak-Kriegs (1980-1988) und die zeitgleich stattfindende Verfolgung der kurdischen Bevölkerung wenig Aufmerksamkeit. Dies änderte sich erst mit dem Golfkrieg, der 1990/91 zu einer weiteren Zuspitzung der Fluchtsituation in der Region führte.

Das Projekt nimmt diese Fluchtbewegungen im Mittleren Osten zum Ausgangspunkt und untersucht, erstens, globale Diskurse um Flucht und Humanitarismus, die auf der Suche nach neuen Konzepten internationaler Steuerung in den 1980er Jahren von politischen Entscheidungsträger/innen, Wissenschaftler/innen und Aktivist/innen intensiv geführt wurden. Zweitens richtet sich der Fokus auf eine Vielzahl an Akteuren, die in der Region Hilfe für die Geflüchteten leisteten. Dazu zählten große internationale Organisationen wie der UNHCR ebenso wie zivilgesellschaftliche NGOs und Diaspora-Netzwerke. Drittens liegt ein weiterer Schwerpunkt auf den konkreten Praktiken humanitäre Hilfe in den Flüchtlingslagern vor Ort und ihren Rückwirkungen auf die globale Ebene.

Das Projekt zeigt, dass der Mittlere Osten als zentrale Flucht- und Konfliktregion der 1980er Jahre ein entscheidendes Laboratorium für die Herausbildung des humanitären Interventionismus bildete, der 1991 im Irak erstmals in die Praxis umgesetzt wurde. Eine solche transnationale und transregionale Verflechtungsgeschichte internationaler Politik, die westlich-europäische Perspektiven ebenso berücksichtigt wie solche aus den fluchtpolitischen Brennpunkten des Mittleren Ostens, ermöglicht somit auch einen differenzierten Blick auf die welthistorische Zäsur von 1989/91.