Die Zwei-plus-Vier-Verhandlungen und die Deutsche Einheit

Abgeschlossenes Projekt

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (IfZ):  Dr. Heike Amos,  Dr. Tim Geiger
Projektinhalt:

Deutschlands Einheit 1989/90 veränderte die Welt: Wie kein anderes Ereignis markiert sie das Ende des Kalten Krieges. Zum 25. Jubiläum der Wiedervereinigung legt das Institut für Zeitgeschichte München – Berlin eine Edition mit 170 bisher zum größten Teil unveröffentlichten, vorzeitig freigegebenen Dokumenten des Auswärtigen Amts und des DDR-Außenministeriums vor. Zusätzlich werden 68 Dokumente zum Zwei-plus-Vier-Prozess auf der Homepage des IfZ zugänglich gemacht. Die Edition ermöglicht einen vertieften Blick in den „Maschinenraum der Diplomatie“ und lässt die dramatischen Umbrüche lebendig werden: von den Botschaftsflüchtlingen im Sommer 1989 bis zur staatlichen Einheit im Herbst 1990.

Zusammen mit dem Kanzleramt war das Auswärtige Amt (AA) diejenige Instanz, die am intensivsten mit der außenpolitischen Sicherung der Einheit befasst war. Es setzte dabei nicht nur die Beschlüsse der Politiker um, sondern brachte auch eigene Konzeptionen ein, insbesondere im Verhältnis zu Polen wie auch in der Frage der NATO-Mitgliedschaft. Ebenfalls im Fokus des Editionsprojekts standen Dokumente aus dem Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR (MfAA), die die teilweise deutlich abweichenden Konzepte illustrieren. Ergänzend einbezogen wurden Akten aus dem Bundesarchiv Berlin (Bestand Hans Modrow und Lothar de Maizière), dem Archiv des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, dem Archiv der Stiftung Aufarbeitung sowie dem Archiv von Bundeskanzler a. D. Helmut Kohl in Ludwigshafen-Oggersheim. Interviews mit Zeitzeugen (Genscher, Ney, Jansen, Kastrup, Sudhoff, Meckel, Lambach, von Fritsch) dienten der Bearbeiterin Heike Amos und dem Bearbeiter Tim Geiger zur Hintergrundinformation. Erstmals veröffentlicht werden nun 170 Dokumente aus dem Zeitraum Juli 1989 bis November 1990, kommentiert und erschlossen durch Personen- und Sachregister. Bei den Dokumenten handelt es sich größtenteils um Aufzeichnungen über diplomatische Gespräche und Verhandlungen, Telegramme von Auslandsvertretungen an die Zentrale des AA in Bonn bzw. des MfAA in Ost-Berlin oder auch um Weisungen der beiden Außenämter an die Auslandsvertretungen. Dazu kommen aber auch Briefe, persönliche Vermerke und Aufzeichnungen, Tagebucheinträge etc.

 

Einblick in den „Maschinenraum“ der Diplomatie

Den besten Einblick in den „Maschinenraum“ der Diplomatie geben sicherlich die Aufzeichnungen über die Konsultationen auf Außenminister- und Beamtenebene, in denen die Absprachen auf höchster politischer Ebene in Vertrags- und Gesetzestexte überführt wurden. So wurden z.B. die wichtigsten Beschlüsse des Kaukasus-Treffens zwischen Kohl und Gorbatschow, nämlich die Herstellung der vollen Souveränität für Deutschland, die NATO-Mitgliedschaft für das vereinte Deutschland, die künftige Stärke der deutschen Streitkräfte und der Abzug der sowjetischen Truppen aus der DDR nur mündlich getroffen. Weitere thematische Schwerpunkte waren die Regelung der Grenzfrage, Fragen der Abrüstung und Rüstungskontrolle, das Problem der Fortgeltung der völkerrechtlichen Verpflichtungen der DDR sowie auch ihrer Wirtschaftsverpflichtungen gegenüber dem Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) und ihre künftige Mitgliedschaft in der Europäischen Gemeinschaft. Hinzu kamen die Festschreibung bestimmter Eigentumsverhältnisse in der DDR und auch die Frage von Reparationen. Insgesamt entstand in kürzester Zeit ein umfangreiches Vertragsgeflecht zur Regelung der deutschen Einheit, dessen Zentralstück der Zwei-plus-Vier-Vertrag bildet.

 

Die menschliche Seite der Ereignisse

Neben diesen Zeugnissen haben Heike Amos und Tim Geiger aber auch Quellen erschlossen, die einen Blick auf die menschliche Seite erlauben. Hierzu gehören die Berichte und Aufzeichnungen bundesdeutscher Diplomaten vom Herbst 1989 aus Prag, Warschau und Budapest über die Botschaftsflüchtlinge. Zu zwei entscheidenden Ereignissen – Genschers Auftritt auf dem Balkon der Prager Botschaft und dem Mauerfall – werden jeweils Tagebuch-Aufzeichnungen von unmittelbar beteiligten Zeitzeugen publiziert, die die ganze Dramatik der Ereignisse deutlich werden lassen. Die Akten belegen darüber hinaus, dass in einigen Punkten die Auffassungen zwischen Bundeskanzleramt und Auswärtigem Amt weiter auseinandergingen als allgemein bekannt, z.B. hinsichtlich der Zukunft der NATO. Ein Brief Kohls an Genscher, in der der Bundeskanzler den Minister für seine Äußerungen „rüffelt“, wird in der IfZ-Edition erstmals veröffentlicht. Gleichfalls gab es Differenzen in der Frage, wann mit Polen Gespräche über einen Grenzvertrag geführt werden sollten.

 

Vorbehalte aus dem Ausland

Nicht zuletzt werden auch die massiven Vorbehalte und Widerstände aus dem Ausland gegen die deutsche Einigung deutlich: Die Quellen zeigen z. B. die Spannungen mit Frankreich auf, die Entfremdung zwischen dem französischen Präsidenten Mitterrand und Bundeskanzler Kohl sowie die Umstände des in der Zeitgeschichtsschreibung strittigen DDR-Besuchs von Mitterrand im Dezember 1989. Aber auch in Israel und auf Seiten jüdischer Organisationen in den USA war man in größter Sorge. Der Vertreter des Jüdischen Weltkongresses ließ im Dezember 1989 DDR-Außenminister Oskar Fischer wissen, seine Organisation wollte die DDR stabilisieren, um eine Wiedervereinigung zu verhindern.
 

Das zweijährige Editionsprojekt wurde finanziert vom Auswärtigen Amt.

Zusatzdokumente zur Edition „Die Einheit“

Publikationen im Rahmen des Projekts

Horst Möller / Ilse Dorothee Pautsch / Gregor Schöllgen / Hermann Wentker / Andreas Wirsching (Hrsg.) Bearbeitet von Heike Amos und Tim Geiger

Die Einheit.

Göttingen 2015


 



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