Edition der Reden Adolf Hitlers von 1933 bis 1945

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (IfZ):  Prof. Dr. Magnus Brechtken,  Dr. Maximillian Becker,  Dr. René Küpper
Projektinhalt:

Eine wissenschaftliche Edition von Hitlers Reden nach 1933, die eine zentrale Quelle für das Wesen und die Herrschaftspraxis des Nationalsozialismus darstellen, ist seit langem als Forschungsdesiderat erkannt. Weder existiert eine systematische Übersicht aller Ansprachen noch eine gesicherte Textbasis, so dass Forschende aus der Geschichtswissenschaft und benachbarten Fächern wie der Linguistik meist auf die mit Fehlern behaftete und unvollständige Zusammenstellung von Max Domarus aus den 1960er Jahren zurückgreifen. Daneben wurden nur wenige ausgewählte Ansprachen ediert publiziert.

Dabei ist unstrittig, dass Hitler seinen politischen Aufstieg vor allem als Redner erreichte. Weit mehr noch als seine Äußerungen in „Mein Kampf“ wirkten gerade seine Ansprachen im Dienste der Motivation und Orientierung der NS-Bewegung. Auch nach 1933 nutzte Hitler seine Reden immer wieder als konzentrierte Auftritte, um zugleich politisch und ideologisch zu wirken.

Nach mehrjährigen Vorarbeiten startete am 1.1.2024 das Editionsprojekt, das das IfZ in Kooperation mit der Goethe-Universität Frankfurt am Main (Lehrstuhl für Neueste Geschichte mit dem Schwerpunkt Geschichte Europas im 20. Jahrhundert,  Prof. Dr. Christoph Cornelißen), der Philipps-Universität Marburg (Lehrstuhl für Praktische Informatik, Prof. Dr. Bernd Freisleben), dem Deutschen Rundfunkarchiv (DRA) Frankfurt am Main-Potsdam Babelsberg (Dr. Götz Lachwitz) und dem Leibnitz-Institut für Deutsche Sprache (IDS) in Mannheim (Prof. Dr. Henning Lobin) durchführt. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert das Vorhaben als Langzeitprojekt für sieben Jahre.

Ziel des Projekts ist es, die überlieferten Reden ab dem 30. Januar 1933 erstmals vollständig zu erfassen, kommentierend einzuordnen und – soweit möglich – im vollen Wortlaut sowohl als Text als auch im Ton zugänglich zu machen. Als Arbeitshypothese und Erkenntnisinteresse steht die Frage im Zentrum, inwieweit sich in den Reden die Verbindung zwischen politischer Ideologie, rhetorischer Kommunikation und gesellschaftlicher Mobilisation als Wesenselemente der Dynamisierung der NS-Herrschaft spiegelt und von diesen selbst vorangetrieben wurde. Nach dem derzeitigen Arbeitsstand lassen sich 745 Reden Hitlers nachweisen, davon etwa vier Fünftel aus der Vorkriegszeit. Rund 300 sind ganz oder teilweise als gesprochenes Wort erhalten.

In der Tradition früherer Editionsprojekte des Instituts für Zeitgeschichte, namentlich „Hitler: Reden, Schriften, Anordnungen 1925-1933“ und „Hitler, Mein Kampf. Eine kritische Edition“, werden alle Reden in gedruckter Form mit Einführungen zum Wissensstand und dem zeitgeschichtlichen Kontext veröffentlicht. Sie sollen anschließend auch digital im Open Access publiziert werden.

Als Grundlage der Edition und authentischste Fassung der Reden gelten dabei die überlieferten Tonmitschnitte. Diese werden vollständig recherchiert und zusammengetragen, vom DRA auf ihre Authentizität geprüft und tontechnisch aufbereitet. Während das IfZ federführend die Erstellung des Textkorpus sowie der Kommentare übernimmt, sollen am Lehrstuhl für Neueste Geschichte in Frankfurt am Main erstmals auch die überlieferten Audioaufzeichnungen fachgerecht editiert, kommentiert und mit avancierten maschinellen Methoden als Korpus durchsuchbar und analysierbar gemacht werden.

Im Kommentar werden wichtige Sachverhalte und Zusammenhänge erläutert, auf die Inszenierung der Reden vor Ort und im Radio hingewiesen sowie die genannten Personen  vorgestellt. Darüber hinaus sollen die Produktions-, Sende- und Empfangsbedingungen rekonstruiert und auf Hitlers Stimme und Redeweise eingegangen werden, wie sie in den Tondokumenten in Erscheinung treten. Die Entwicklung der Tools zur Suche in den Tondokumenten und den Transkripten sowie die für die Audio-Edition unverzichtbare Synchronisation von Text und Ton wird durch den Lehrstuhl für Praktische Informatik geleistet. Die digitale Audio-Edition wird mit kontrolliertem Zugang für unterschiedliche Zielgruppen (Wissenschaft und Schulen, Journalismus, Public History) nutzbar gemacht. Das IDS begleitet das Gesamtprojekt sprachwissenschaftlich mit einer Serie von Workshops und bringt seine linguistische Expertise in die Entwicklung der softwarebasierten Analysetools ein.

Mit der gedruckten und digitalen Text- und der Audio-Edition wird ein zentraler Beitrag für die Grundlagenforschung über den Nationalsozialismus geleistet. Zugleich werden in technischer Hinsicht neue, innovative Wege beschritten.