Kiew im Krieg (1937-1947). Eine integrierte Untersuchung zu Gewaltherrschaft, Besatzung und Judenverfolgung

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (IfZ):  Dr. Bert Hoppe
Projektinhalt:

Zum Zeitpunkt des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion zählte Kiew etwa 930.000 Einwohner, im November 1943 lebten dort nur noch rund 70.000 Menschen. Dieser dramatische Bruch spielte außerhalb der Ukraine bislang kaum eine Rolle. In der Forschung hat man sich bislang fast ausschließlich auf das Massaker von Babyn Yar an mehr als 33.000 Juden im September 1941 konzentriert – doch die naheliegende Frage nach dem Zusammenhang dieses Verbrechens mit den anderen Gewaltakten der Besatzungszeit (etwa dem Massensterben der sowjetischen Kriegsgefangenen) und dem drastischen Rückgang der Kiewer Einwohnerschaft ist kaum gestellt worden.

Dieses Projekt sucht Antworten auf diese und weitere Fragen: Am Beispiel Kiews werden exemplarisch Leben und Sterben von Juden und Nicht-Juden zwischen 1937 und 1947 geschildert und analysiert – also zwischen dem Beginn des „Großen Terrors“ und dem Abschluss der Wiederherstellung der Sowjetmacht. Wie haben stalinistischer Massenterror, deutsche Besatzungsverbrechen und die Wiederaufnahme der Repressionen die Stadt als physischen und sozialen Ort verändert? Das Ziel ist eine multiperspektivisch angelegte Darstellung des Alltags der Bewohner Kiews und ihres sozialen Umfelds. Es wird somit nicht allein um Institutionen und die Handlungen der jeweiligen Machthaber gehen, sondern auch darum, wie sich die Gesellschaft und der Raum verändert haben, in dem sich die Menschen bewegten. Eine wichtige Rolle nehmen daher konkrete Schicksale ein, an denen sich die Umbrüche durch Stalinismus, Krieg und Besatzung ablesen lassen. Dazu werden rund ein Dutzend unterschiedliche Lebensläufe hervorgehoben, um Handlungsspielräume greifbar machen. Diese Methodik ermöglicht zugleich, diachron auszugreifen und nach den jeweiligen Prägungen zu fragen, die jenseits des Untersuchungszeitraums liegen.

Eine vollbesetzte Straßenbahn im besetzten Kiew, 1941, BArch Bild 183-B15914