Ländliche Armut, Armutswissen und Armutsbekämpfung. Transnationale Entwicklungsarbeit Westdeutschlands in Südostasien in den 1970er und 1980er Jahren

Projektinhalt:

Die Beziehungen Westdeutschlands mit dem „globalen Süden“ seit den 1970er Jahren gelten als neues Forschungsfeld. Das liegt einerseits daran, dass sich HistorikerInnen zunehmend für den „Shock of the Global“ durch etwa den Vietnamkrieg und die Ölpreiskrisen und seine Wirkungen auf die westdeutsche Politik und Zivilgesellschaft interessieren. Andererseits wird auch in der Forschung zur „alten“ Bundesrepublik zunehmend nach „deutschen Plätzen in einer zusammenrückenden Welt“ gesucht.  Dabei zeigen global- und verflechtungsgeschichtliche Ansätze in letzter Zeit neue Perspektiven auf die zeithistorischen Themen nach 1945 wie den Kalten Krieg, die Dekolonisation sowie die internationale Entwicklungshilfe auf.

Im Zentrum des Projektes stehen das wissenschaftliche Wissen über die Armut und die „Unterentwicklung“ in der „Dritten Welt“ sowie die Praktiken der transnationalen Entwicklungsarbeit Westdeutschlands zur Armutsbekämpfung. Insbesondere fokussiert es auf die ländliche Armut und das entwicklungspolitische Engagement westdeutscher Akteure in Südostasien seit dem Umbruchsjahrzehnt der 1970er Jahren. Es stellen sich zunächst die Fragen: Wie wurde die ländliche Armut in Südostasien durch sozialwissenschaftliches, ökonomisches sowie ökologisches Wissen diskursiv konstruiert und identifiziert? Unter welchen internationalen, (wirtschafts-)politischen und zivilgesellschaftlichen Bedingungen wurde sie als „globale“ Krise für westdeutsche Experten und Hilfsorganisationen wahrgenommen? Genauso wichtig werden die Praktiken der Entwicklungsarbeit empirisch untersucht. An Beispielen des Agricultural Development Project in West-Sumatra/West-Pasaman, des Transmigration Area Development Projekt in Ost-Kalimantan sowie des Philippine-German Crop Protection Programme analysiert das Projekt: Wie prägten die wissenschaftlichen Diskurse um Armut die Praxis von Entwicklungsexperten und Hilfswerken vor Ort, und wie wirkten sich die Praktiken der Entwicklungsarbeit in lokalen Einsatzgebieten umgekehrt auf die Produktion neuen, praxisorientierten Wissens der Wissenschaftler zur internationalen Armutsbekämpfung aus? Wie kooperierten transnationale und lokale Akteure in der Produktion und der Übersetzung von Wissen zur ländlichen Entwicklung?

Aus wissens- und globalgeschichtlicher Perspektive werden einerseits die Reziprozität theoretischen und praxisorientierten Wissens von Armut sowie dessen Produktion und Transfer durch transnationale Entwicklungsarbeit erläutert. Andererseits befasst sich das Projekt mit den Verflechtungen zwischen westdeutschen und südostasiatischen Akteuren zur Konzeptbildung von ländlicher Armut und auf die Übersetzung von wissenschaftlichen Armuts-Diskursen auf globaler Ebene in die lokalen Praktiken der Armutsbekämpfung.




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