Verwaltungsregime: das bayerische Finanzministerium 1919 bis 1979

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (IfZ):  PD Dr. Bernhard Gotto
Projektinhalt:

Das Projekt ist als zäsurübergreifende Längsschnittstudie angelegt. Obwohl der Schwerpunkt des Untersuchungszeitraums die Entwicklung der demokratischen Kultur nach 1945 fokussiert, werden die Jahre der Weimarer Republik und der NS-Diktatur als integraler Bestandteil in die Studie aufgenommen, um langfristige Veränderungen in den Blick nehmen zu können. Im Zentrum steht die Frage, welchen Einfluss die politischen Regimewechsel auf die Verwaltungskultur im bayerischen Finanzministerium ausübten, welche Kontinuitätslinien das Verwaltungshandeln der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums prägten, und in welchem Wechselverhältnis Auffassungen von Staatsdienst, politischer Ordnung und gesellschaftlichen Wandungsprozessen standen. In diesen Rahmen kommt der Frage nach Ausmaß und Bedeutung von Kontinuitäten zur NS-Diktatur eine kaum zu überschätzende Bedeutung zu. Daher legt die Studie einen besonderen Schwerpunkt darauf, wie sich die Beamten zum Nationalsozialismus beziehungsweise zur NS-Vergangenheit positionierten.

Die Studie verschränkt drei analytische Zugriffe miteinander. Erstens untersucht sie auf einer prosoprografischen Ebene das Leitungspersonal des bayerischen Finanzministeriums. Das Sample umfasst alle leitenden Beamten vom Referatsleiter aufwärts. Dabei sind nicht allein deren Haltung zur jeweiligen politischen Ordnung zu rekonstruieren, sondern auch Handlungsspielräume und Entscheidungen in ihrem administrativen Wirkungsrahmen. Zweitens analysiert die Studie die Struktur und Gestalt der Behörde als sozialen Handlungsraum. Deren Wandlungsprozesse werden mit den politischen Rahmenbedingungen in Beziehung gesetzt und als Parameter für die Ausprägung einer Gesamtheit von Anreizen und Regeln verstanden, die den Behördenalltag der Beamten und Angestellten bestimmten. Drittens nimmt die Studie ausgewählte Handlungsfelder in den Blick, auf denen die Leitvorstellungen der Akteurinnen und Akteure in den untersuchten Zeiträumen jeweils deutlich zum Tragen kamen. Die Auswahl umfasst neben finanzpolitisch bedeutsamen Handlungsfeldern auch solche Gebiete, die Aufschluss über ordnungspolitische Grundorientierungen und das Selbstverständnis der Beamten erlauben. Die drei analytischen Zugriffe fließen im Begriff der „Verwaltungsregime“ zusammen, der normative, kulturelle, organisatorische und praxeologische Facetten als Funktionen des Wandels von Staatlichkeit im 20. Jahrhundert auffasst.




© Institut für Zeitgeschichte
Content