Die Staatsangehörigkeit von Jüdinnen und Juden im Holocaust

Nationalsozialistische Verfolgungspraxis zwischen Rassenideologie, Diplomatie und Bürokratie

Über Ländergrenzen und Nationalitäten hinweg verfolgten und ermordeten die Nationalsozialisten Jüdinnen und Juden in ganz Europa. In der Umsetzung ihrer Vernichtungspläne stießen die Täter jedoch an äußere Grenzen, denn Jüdinnen und Juden mit ausländischer Staatsangehörigkeit standen durch ihre staatliche Zugehörigkeit unter dem diplomatischen Schutz ihrer Heimatländer. Entlang überlieferter Einzelfälle zeichnet der Vortrag das Spannungsfeld nach, in dem die NS-Verfolgungsbehörden zwischen rassenantisemitischer Mordpraxis und politischen Zwecküberlegungen agierten: Wie diskutierten und entschieden die beteiligten Instanzen und Akteure etwa über das Ausreisegesuch einer schweizerisch-jüdischen Familie im Ghetto Riga? Einerseits konnte eine abgelehnte Freilassung zu diplomatischen und wirtschaftspolitischen Konflikten mit der neutralen Schweiz führen, andererseits aber war die Familie Ende 1941 bereits zu Zeugen des laufenden Massenmordes geworden.

Warum genehmigten SS und Auswärtiges Amt Anfang 1943 die Ausreise von drei jüdischen Geschwistern mit schwedischen Pässen aus dem Konzentrationslager Westerbork, verweigerten aber zur gleichen Zeit zwei schwedischen Brüdern in Theresienstadt den gleichen Schritt? Und wie lässt sich das Angebot NS-Deutschlands an verschiedene verbündete und neutrale Länder, ‚ihre‘ Juden 1943/44 aus dem deutschen Machtbereich „heimkehren“ lassen zu dürfen, in den Kontext der Gesamtgeschichte des Holocaust stellen?

Vortrag von Niels Pohl-Schneeberger (IfZ München). 

Das Kolloquium “The Holocaust and its Contexts” wird gemeinsam vom Lehrstuhl für Zeitgeschichte und dem Zentrum für Holocaust-Studien am Institut für Zeitgeschichte in München veranstaltet. Es ist ein Diskussionsforum, das Trends, Themen und Grundsatzfragen der Holocaust-Forschung aufgreift und neuere Forschungen in einem weiteren Kontext präsentiert.

ORT
Ludwig-Maximilians-Universität München
Historicum, Raum K 001
Amalienstraße 52
80799 München

ANMELDUNG
Bitte melden Sie sich bis zum 25. November zur Veranstaltung an: zfhs[at]ifz-muenchen.de



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