Kristina Milz/Benedikt Sepp, „Harte Zeiten für die Guten“. Kurt Huber und Mirok Li – Widerstandsrezeption in der Bundesrepublik Deutschland und in Südkorea
Bis zu seiner Hinrichtung im Jahr 1943 pflegte das Weiße-Rose-Mitglied Kurt Huber eine enge Freundschaft mit dem koreanischen Gelehrten Mirok Li. Li war wegen seines Widerstands gegen die japanische Kolonialmacht aus Korea geflohen und lebte seit 1925 in München, wo er sich als Schriftsteller einen Namen machte. 1946 erlangte er mit seinem Roman „Der Yalu fließt“ Berühmtheit, 1947 veröffentlichte er Erinnerungen an seinen hingerichteten Freund. In Korea gilt die Verbindung der beiden Männer heute in Filmen und Comics als Beleg für die Analogie von japanischem Imperialismus und Nationalsozialismus. Li und Huber erscheinen so als Figuren eines gemeinsamen Widerstandsgeists; in diesem Sinne lassen sich Deutschland und Korea als durch eine Parallelgeschichte gleichsam schicksalhaft miteinander verbunden deuten.
Tobias Wals, Artur Boss. Der Aufstieg eines ukrainischen „Volksdeutschen“ im deutschen Besatzungsapparat
Artur Boss durchlief im Zweiten Weltkrieg eine bemerkenswerte Karriere in der von Deutschland besetzten Ukraine. Trotz der Begrenzungen, denen er als „Volksdeutscher“ unterworfen war, gewann er das Vertrauen eines hochrangigen SS-Offiziers und spielte eine Schlüsselrolle in der Kyjiwer Stadtverwaltung. Seine Geschichte bestätigt die These, dass „Volksdeutsche“ mittels Gewaltbereitschaft und Opportunismus ihre Loyalität zum nationalsozialistischen Deutschland bezeugen konnten. Zudem lässt sich am Beispiel von Artur Boss zeigen, dass die Zivilbevölkerung vor Ort ihren Informationsvorsprung gegenüber den Besatzern ausnutzen konnte, um die eigene Lage zu verbessern. Tobias Wals setzt sich eingehend mit Boss’ Biografie auseinander, einschließlich seiner Verfolgung durch den sowjetischen Geheimdienst in den 1930er Jahren und seiner Verwicklung in die NS-Prozesse, die seit Ende der 1950er Jahre in der Bundesrepublik stattfanden.
Sebastian De Pretto, Untergang durch Fortschritt. Stauseebau und Umsiedlungen in den Alpen nach 1945
Der Stauseebau nach 1945 prägte die Alpen nachhaltig; er beeinträchtigte Ökosysteme und verdrängte ganze Dorfgemeinschaften. Sebastian De Pretto analysiert die sozioökonomischen Folgen dieses Transformationsprozesses in Frankreich, Italien und der Schweiz anhand der Fallstudien Tignes, Marmorera, Reschen und Vernagt. Er zeigt, dass technokratische Planungsexperten und Energieunternehmen im Namen des Fortschritts Dörfer umsiedelten oder die Bevölkerung durch schleichenden Ressourcenentzug entwurzelten. Widerstand blieb oft erfolglos, da Machtasymmetrien zwischen zentralstaatlichen Akteuren und kommunalen Gemeinschaften die Verhandlungsprozesse dominierten. So werden die oft übersehenen, aber schwerwiegenden gesellschaftlichen Kosten des hydroenergetischen Ausbaus der alpinen Energielandschaft greifbar.
Paweł Machcewicz, Das Stereotyp des Judäo-Kommunismus in Polen. Vom antikommunistischen Mythos zum national-kommunistischen Instrument
In der Zwischenkriegszeit war die polnische Rechte der Ansicht, der Kommunismus sei eine Erfindung der Juden und diene ausschließlich ihren Interessen. Die Kommunistische Partei Polens wandte sich zunächst gegen jede Form des Antisemitismus und setzte sich nachdrücklich für die Gleichberechtigung der jüdischen Minderheit ein. Diese Situation änderte sich in den 1960er Jahren radikal. Zu jener Zeit gewann eine nationalistisch gesinnte Gruppe um Innenminister Mieczysław Moczar zunehmend an Einfluss. Ihr gelang es, Antisemitismus als politische Waffe einzusetzen, wobei sie versuchte, sich eine breite gesellschaftliche Unterstützung zu sichern. Zu ihrer Botschaft gehörte die Behauptung, Kommunisten jüdischer Herkunft seien allein für die Verbrechen des Stalinismus verantwortlich. Moczar und seine Gefolgsleute propagierten einen nationalen Kommunismus, in dem Juden keinen Platz hatten.
Christian Fleck/Andreas Kranebitter, Österreich zählt. Anmerkungen zur Debatte um den Anteil der österreichischen NS-Täter
In seinem im Oktoberheft 2024 der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte erschienenen Aufsatz „Waren Österreicher unter nationalsozialistischen Tätern überrepräsentiert? Versuch einer Synthese“ behauptete Kurt Bauer, dass keine Überrepräsentation der von ihm als Österreicher Erfassten unter nationalsozialistischen Tätern feststellbar sei. Deshalb sei die Täterthese zurückzuweisen, die nach Jahrzehnten der Dominanz der Opferthese, also des Mythos von Österreich als erstem Opfer des Nationalsozialismus, hegemonial geworden sei. Christian Fleck und Andreas Kranebitter weisen Bauers Argumentation und Methode zurück. Sie zeigen die methodischen Unzulänglichkeiten von Bauers Darstellung auf und betonen, seine Befunde lieferten keine neuen Einsichten für ein besseres Verständnis des NS-Regimes in Österreich.