Tagungs-Telegramm

Gleich in seiner zweiten öffentlichen Veranstaltung hatte das neue Zentrum für Holocaust-Studien einen der bedeutendsten Holocaustforscher zu Gast: Christopher Browning, Professor an der University of North Carolina-Chapel Hill. Browning hat zahlreiche Standardwerke zur Geschichte des Holocaust verfasst, fungierte aber auch als historischer Sachverständiger in zahlreichen Gerichtsprozessen, u.a. gegen die Holocaust-Leugner Ernst Zuendel und David Irving.

 

Packend beschrieb Browning im Vortragssaal des Instituts für Zeitgeschichte, wie er nach Abschluss seines Magisterstudiums zur Vorbereitung eines Kurses über deutsche Geschichte Raul Hilbergs Die Ermordung der europäischen Juden las: „Es war ein Buch, das mein Leben verändert hat.“  Trotz der Warnung seines Doktorvaters, mit einem Holocaust-Thema  werde er keine Zukunft in der Historikerzunft haben, erforschte er die Rolle des Auswärtigen Amts beim Judenmord. Die 1978 erschienene Arbeit gibt es seit 2010 endlich auch in deutscher Übersetzung.

 

Seine „Antwort an Martin Broszat“ zur Frage der „Genesis der ‚Endlösung‘“ in den Vierteljahrsheften für Zeitgeschichte 1981 war ein weiterer wichtiger Schritt in seiner damals noch jungen Karriere: Einladungen zu Konferenzen folgten, in den Kontroversen über die Entscheidung zum Judenmord – die Frage nach dem Zeitpunkt und der Rolle Hitlers – hat seine Stimme seitdem großes Gewicht. Browning berichtete über seine Kontroverse mit Daniel Jonah Goldhagen, die ihn offensichtlich immer noch bewegt: Seine Studie über die „ganz normalen Männer“ des Hamburger Polizeibataillons 101 in Ostpolen griff Goldhagen in seinem Gegenentwurf „Hitler´s willige Vollstrecker“ scharf an. Paradoxerweise muss er dem damals beim internationalen Publikum so erfolgreichen Kontrahenten dankbar sein: Die Kontroverse brachte seiner Studie große Aufmerksamkeit – längst ist sie ein Klassiker der Täterforschung.

 

Eindringlich beschrieb Browning seine schwierige Rolle in Gerichtsprozessen gegen Holocaust-Leugner. „Historiker sind nun einmal weder Richter noch Staatsanwälte,“ bemerkte Browning. Während Historiker mit Thesen, Hypothesen und Plausibilitätsannahmen arbeiteten, zählten im Gerichtssaal vor allem unumstößliche Fakten.

 

Der Vortrag fand im Rahmen der internationalen Summer Schools statt, die momentan am Zentrum für Holocaust-Studien durchgeführt werden: In der dreiwöchigen Summer School des von der EU geförderten EHRI-Projekts sind schon seit dem 22. Juli zwölf junge Forscherinnen und Forscher vor allem aus europäischen Ländern in München zu Gast, seit dem 3. August läuft parallel dazu in Kooperation mit der LMU eine von Prof. Dr. Wendy Lower organisierte Summer School für zwölf amerikanische Nachwuchswissenschaftlerinnen und –wissenschaftler.

 

Weitere Informationen zum Zentrum für Holocaust-Studien finden Sie hier.



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