Premiere für die europäische Holocaust-Forschung
Seit 1989 treffen sich die Holocaustforscherinnen und –forscher aus aller Welt zum interdisziplinären Fachkongress „Lessons & Legacies of the Holocaust“, um neue Forschungsergebnisse und –trends, aber auch Möglichkeiten der pädagogischen Vermittlung zu diskutieren. In diesem Jahr fand der Fachkongress zum ersten Mal außerhalb Nordamerikas statt. Unter dem Titel „The Holocaust and Europe: Research Trends, Pedagogical Approaches, and Political Challenges“ kamen vom 4. bis 7. November 2019 in München rund 200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zusammen, um in 36 Panels und 11 Workshops neue Erkenntnisse, aber auch Probleme der Forschung und Vermittlung zu reflektieren.
Organisiert wurde die englischsprachige Tagung von einem internationalen Organisationskomitee und vier Institutionen:
- dem Zentrum für Holocaust-Studien am Institut für Zeitgeschichte in München (IfZ),
- der Bundeszentrale für Politische Bildung,
- der Holocaust Educational Foundation an der Northwestern University / USA
- sowie der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Der Kongress repräsentierte das wachsende Gewicht von Einrichtungen, die in Europa mit der Forschung und pädagogischen Vermittlung der Geschichte des Holocaust befasst sind. Wichtiges Anliegen war zugleich, die zersplitterte europäische Forschungslandschaft zusammenzuführen und kritische osteuropäische Forscher zu fördern, die in ihren Ländern unter schwierigen politischen Rahmenbedingungen arbeiten müssen. Ein besonderer Schwerpunkt galt dem Wissenstransfer und der pädagogischen Vermittlung, unterstrichen durch die Förderung des Kongresses durch die Bundeszentrale für Politische Bildung. Anders als in den USA tagten die Forscher in München in unmittelbarer Nähe zu authentischen historischen Orten der NS-Herrschaft und des Holocaust sowie in einer vielgestaltigen Gedenkstättenlandschaft, mit der die Kongressteilnehmer in einem separaten Besuchsprogramm näher vertraut gemacht wurden.
Öffentliche Abendveranstaltungen
Auch die interessierte Öffentlichkeit konnte sich von der gegenwärtigen Holocaust-Forschung ein Bild machen. Wichtige Vorträge und Diskussionen wurden dokumentiert und werden in kürze im Internet zur Verfügung gestellt werden. Zwei Abendveranstaltungen standen darüber hinaus allen Interessierten offen: Am Dienstag, 5. November fand im Jüdischen Gemeindezentrum in München eine Veranstaltung unter dem Stichwort „Geschichte und Erinnerung“ statt: Sie war am historischen Ort München dem Novemberpogrom von 1938 und dem Attentat Georg Elsers von 1939 gewidmet. Am Mittwoch, den 6. November diskutierte in der Großen Aula der LMU ein hochkarätiges Podium unter Leitung von Christopher Browning über „Turns and Trends of Research, Teaching, Public Memorialization and Present Political Circumstances“.
Kim Wünschmann von der Ludwig-Maximilians-Universität und Andrea Löw vom Zentrum für Holocaust-Studien am IfZ München moderierten die öffentliche Abendveranstaltung „November 1938 and 1939: History and Memory“ im Jüdischen Gemeindezentrum in München. Neben der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, die den internationalen Gästen in einer tief berührenden Rede ihre persönlichen Erlebnisse rund um die Novemberpogrome von 1938 schilderte, begrüßte dort auch Bürgermeister Manuel Pretzl im Namen der Stadt München die Kongressteilnehmer. Alan E. Steinweis beleuchtete in seinem Vortrag die Linien zwischen Georg Elsers Attentatsversuch auf Hitler im November 1939 und den Pogromen von 1938.
Bei der Abendveranstaltung am Mittwoch in der LMU ging es um eine kritische Betrachtung des Holocaust im Hinblick auf aktuelle Forschungsrichtungen, die öffentliche Erinnerungskultur sowie um politische Widerstände. Dazu moderierte der renommierte Holocaustforscher Christopher Browning die prominent besetzte Diskussionsrunde mit Andrea Petö, Hana Kubátová, Frank Bajohr und Dieter Pohl. Durch die unterschiedlichen Perspektiven und Erfahrungen gelang es, einen internationalen Blick auf diese Themen zu werfen.
Weitere Informationen zum Fachkongress „The Holocaust and Europe“: