1985: Das Jahr des Michail Gorbatschow

IfZ legt neuen Band der Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik vor

München (19.02.2016) Das Institut für Zeitgeschichte hat mit Ablauf der 30-jährigen Sperrfrist den neuen Jahrgang der Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland vorgelegt: In zwei Bänden zusammengefasst, zeichnen 356 erstmals veröffentlichte Dokumente die außenpolitischen Ereignisse des Jahres 1985 nach.


1985 stand im Zeichen der Vergangenheitspolitik: Der 40. Jahrestag des Kriegsendes war für die deutsche Außenpolitik von zentraler Bedeutung. Während die Rede von Bundespräsident Richard von Weizsäcker am 8. Mai auf großen Respekt traf, sorgte die Gefallenenehrung durch Bundeskanzler Helmut Kohl und US-Präsident Ronald Reagan auf einem Soldatenfriedhof bei Bitburg nicht zuletzt in den USA für Empörung. Gleichzeitig beschuldigte die Sowjetunion die Bundesregierung des Revanchismus.

1985 war schließlich auch das Jahr, in dem Michail Gorbatschow als neuer KPdSU-Chef die politische Weltbühne betrat. Mit seinem Amtsantritt vollzog sich im Kreml endgültig ein Generationenwechsel weg von der alten KPdSU-Führungsriege um Breschnew, Andropow und Tschernenkow. Mit der Regierungsübernahme Gorbatschows am 11. März erlebte die sowjetische Politik eine Dynamisierung, die in einem Ost-West-Gipfel im November ihren Ausdruck fand. Zahlreiche Dokumente belegen, welche Bedeutung diesem ersten Gipfeltreffen seit Juni 1979 auch für die deutsche Außenpolitik beigemessen wurde. Gorbatschow und Reagan erörterten in Genf Themen von weltpolitischer Bedeutung, neben dem Raketenabwehrsystem SDI vor allem Fragen der Rüstungskontrolle. Die Akten zeigen aber auch gleichzeitig auf, wie schwierig sich die Beziehungen zwischen Bundeskanzler Helmut Kohl und dem neuen Machthaber in der Sowjetunion anließen: Statt auf Kohls brieflich vorgetragene Offerten einzugehen, korrespondierte Gorbatschow zunächst mit der deutschen Friedensbewegung und baute Kontakte zum erwarteten SPD-Kanzlerkandidaten Johannes Rau auf.

Bei der Zusammenarbeit in Europa waren Fortschritte zu verzeichnen, so durch eine verstärkte deutsch-französische Kooperation in der Sicherheitspolitik sowie auf dem Gebiet von Forschung und Technologie mit der Gründung von EUREKA.
Weitere Dokumente des Jahres 1985 beschäftigen sich u.a. mit Rüstungsexporten, wobei Lieferungen an Saudi-Arabien ein besonderes Problemfeld darstellen. Ebenso aus den Akten nachvollziehbar ist Kohls schwieriges Verhältnis zu den bundesdeutschen Medien, darunter insbesondere zum Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“.

Das Institut für Zeitgeschichte gibt jedes Jahr einen neuen Band der Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik heraus. Die Veröffentlichung erfolgt im Auftrag des Auswärtigen Amtes, jedoch in völliger wissenschaftlicher Unabhängigkeit und macht so unmittelbar nach Ablauf der 30-jährigen Sperrfrist Akten der Öffentlichkeit zugänglich, die zuvor weitgehend der Geheimhaltung unterlagen.


Akten zur Auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland 1985

Bearbeitet von Michael Ploetz, Mechthild Lindemann und Christoph Johannes Franzen
Wissenschaftliche Leiterin: Ilse Dorothee Pautsch
Berlin : De Gruyter Oldenbourg, 2 Bde., 2016. XCI, 2037 S. – € 149,95
ISBN: 978-3-11-040628-3