Josef Strahlau - ein überzeugter Rassehygieniker im Dienst des BMG
Neben personalpolitischen Facetten standen vor allem auch sachpolitische Ergebnisse der Studie von Lutz Kreller und Franziska Kuschel im Mittelpunkt der Debatte. Von besonderem Interesse waren etwa die Planungen des BMG Anfang der 1960er Jahre, die darauf abzielten, ein neues Sterilisationsgesetz auf den Weg zu bringen – das unter anderem die im NS-Sterilisationsgesetz von 1933 definierten „Erbkrankheiten“ wieder zur Indikationsgrundlage einer Unfruchtbarmachung erklären sollte. Vorangetrieben wurde dieses Vorhaben vom langjährigen Abteilungsleiter des Bonner Gesundheitsressorts, Josef Stralau.
Dass Stralau zwischen 1937 und 1945 im öffentlichen Gesundheitsdienst des „Dritten Reiches“ als ein überzeugter NS-Rassenhygieniker in Erscheinung getreten war, konnte im Rahmen des BMG-Projektes erstmals quellenfundiert und detailliert herausgearbeitet werden. So hatte Stralau nicht nur rigide die Prämissen der auf Selektion und Züchtungsutopie beruhenden nationalsozialistischen „Gesundheitspolitik“ implementiert, sondern war auch mitschuldig an der Tötung von geistig und körperlich behinderten Kindern und Jugendlichen in mindestens 31 Fällen durch Unterlassen.
Vor dem Hintergrund dieser neuesten Forschungsergebnisse zur Biografie Josef Stralaus kam es bereits Anfang des Jahres 2023 zu konkreten Reaktionen: So strich nicht nur die Robert-Koch-Stiftung e.V. Josef Stralau von der Liste der Ehrenmitglieder, sondern auch der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes e.V. (BVÖGD) distanzierte sich in Anbetracht der neuen Erkenntnisse von einer 1974 seitens des Verbandes getroffenen Entscheidung: Seinerzeit wurde Stralau die Johann-Peter-Frank-Medaille verliehen – die höchste Auszeichnung des BVÖGD.