Heft 3/2021

  • Michael Schwartz: Homosexuelle im modernen Deutschland. Eine Langzeitperspektive auf historische Transformationen. (A) - Ins Heft gezoomt
  • Maximilian Kutzner: „Zeitung für Deutschland“? Die Frankfurter Allgemeine Zeitung und die deutsche Frage 1969 bis 1990. (A)
  • Martin Günzel: Die Wegbereiter. Tony Blair, Großbritannien und die Entscheidung für den Irakkrieg 2001 bis 2003. (A)
  • Philipp Gahn: Widersprüche eines Modus Vivendi. Dokumente zum Besuch Michael Kardinal von Faulhabers bei Adolf Hitler auf dem Obersalzberg im November 1936. (Dok) - Artikel in diversen Zeitungen, Beilagen
  • Anna Georgiev: „Im fremden Erdteil ein Kleinod sein, ein Segen werden“. Über den Verbleib der Kultgegenstände (zwangs)aufgelöster jüdischer Gemeinden. (Mis)

 

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Abstracts

Michael Schwartz, Homosexuelle im modernen Deutschland. Eine Langzeitperspektive auf historische Transformationen

 

Die Geschichte homosexueller Menschen im modernen Deutschland besteht nicht nur aus Verfolgung und Diskriminierung, obschon sie oft als solche erinnert wird. Wohl haben homosexuelle Männer unter massiver Verfolgung gelitten, und auch lesbische Frauen waren vielen Diskriminierungen ausgesetzt. Doch die Geschichte der letzten 200 Jahre weist nicht nur jene Transformation im Umgang mit Homosexualität auf, die ab den 1990er Jahren zur Gleichberechtigung führte, sondern mehrere, inhaltlich sehr verschiedene Umbrüche. Wir haben es weder mit einem Kontinuum der Repression noch mit einer linearen Emanzipationsgeschichte zu tun, sondern mit einer höchst widersprüchlichen langfristigen Entwicklung.

 


Maximilian Kutzner, „Zeitung für Deutschland“? Die Frankfurter Allgemeine Zeitung und die deutsche Frage 1969 bis 1990

 

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) firmiert bis heute als „Zeitung für Deutschland“. Das war der Anspruch ihrer Gründer. Doch die sich verstetigende Zweistaatlichkeit stellte den deutschlandpolitischen Kurs der FAZ vor Herausforderungen. Wie positionierte man sich zur Neuen Ostpolitik? Gelang es, die Zeitung als Impulsgeber auf diesem Politikfeld zu etab­lieren? Der Aufsatz beleuchtet innerredaktionelle Konflikte und externe Zuschreibungen von west- und ostdeutschen Akteuren gleichermaßen. Der Autor zeigt auf, in welchem Spannungsfeld sich die FAZ zwischen ihrer eigenen Linie und der Anerkennung deutschlandpolitischer Faktizität in den 1970er und 1980er Jahren bewegte. War man bereit, für die Verwirklichung der deutschen Einheit alte Grundätze aufzugeben?

 


Martin Günzel, Die Wegbereiter. Tony Blair, Großbritannien und die Entscheidung für den Irakkrieg 2001 bis 2003

 

Die Beteiligung Großbritanniens am 2003 begonnenen Irakkrieg gehört zu den kontroversesten Ereignissen der jüngeren britischen Zeitgeschichte und hat die Bewertung der Amtszeit des damaligen Premierministers Tony Blair nachhaltig geprägt. Die Frage, aus welchen Gründen und mit welchen Zielen sich die britische Regierung seinerzeit für einen Kurs der dezidierten Unterstützung des von den USA initiierten Kriegs entschied, konnte bislang nicht eindeutig geklärt werden. Die nunmehr zugänglichen Quellen zeigen, dass man sich in London bereits sehr früh auf eine Kriegsteilnahme festlegte und die Öffentlichkeit über die Motive täuschte. Die Art und Weise, wie der Krieg letztlich diplomatisch durchgesetzt und öffentlich begründet wurde, hat die Sicht darauf maßgeblicher geprägt als lange angenommen.

 


Philipp Gahn, Widersprüche eines Modus vivendi. Dokumente zum Besuch Michael Kardinal von Faulhabers bei Adolf Hitler auf dem Obersalzberg im November 1936

 

Die Monate von November 1936 bis Januar 1937 waren für Michael von Faulhaber eine Zeit größter Anspannung. Empfangen wie eine Art Primas des deutschen Episkopats traf er Hitler auf dem Obersalzberg, zu einem „letzten Versuch“ einer Verständigung zwischen Staat und Kirche. Im Januar weilte er zu Beratungen in Rom, aus denen sein Textentwurf zur Enzyklika „Mit brennender Sorge“ hervorging. Dazwischen lagen hektische Wochen, in denen er eine Doppelstrategie verfolgte: Vorbehaltlos bis zur Selbstverleugnung blieb er verhandlungsbereit, während er andererseits den offenen Protest nicht scheute. Die hier präsentierten Dokumente belegen die Illusion, unter der dieses Vorgehen stand, so dass sogar sein Beitrag zur Enzyklika in einem anderen Licht erscheint.

 


Anna Georgiev, „Im fremden Erdteil ein Kleinod sein, ein Segen werden“. Über den Verbleib der Kultgegenstände (zwangs)aufgelöster jüdischer Gemeinden

 

Unter anderem konfrontiert mit Auflösungserscheinungen kleinerer jüdischer Gemeinden auf dem Land wurden seitens jüdischer Organisationen in Deutschland schon in der Weimarer Republik Fragen der Inventarisierung und Verteilung von nicht mehr benötigten Judaika diskutiert. Im Zuge der systematischen Verfolgung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung wurden diese Themen nicht etwa fallengelassen, sondern weiter systematisiert. Sicherlich auch aufgrund mangelnder Verwertungsmöglichkeiten wurden die von jüdischen Organisationen eigens entwickelten Strukturen zunächst durch das Reichssicherheitshauptamt toleriert, aber die eigentliche Intention der Sammlung – die Abgabe an Gemeinden im Ausland – erwies sich als Ding der Unmöglichkeit.