Aktuelles aus dem Institut

Völkischer Geistlicher

Der Stadtrat von Kaufbeuren hat auf seiner jüngsten Sitzung am 19. Mai einstimmig beschlossen, eine Straße umzubenennen. Sie trug bislang den Namen von Christian Frank, dem früheren Hausgeistlichen an der Heil- und Pflegeanstalt Kaufbeuren-Irsee. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin des Instituts für Zeitgeschichte Martina Steber konnte belegen, wie tief der Kurat im völkischen und rassistischen Denken verhaftet war.

 

Auslöser des Votums des Stadtrats war ein Vortrag von Martina Steber im Stadtmuseum Kaufbeuren gewesen. Die IfZ-Historikerin, die sich seit Langem mit der Geschichte des bayerischen Schwaben im Nationalsozialismus befasst, hatte sich intensiv mit dem politischen Denken des früheren Kuraten an der Heil- und Pflegeanstalt Kaufbeuren-Irsee auseinandergesetzt, die  zu den Zentren der Euthanasie-Verbrechen  zählt. Christian Frank wurde mit der Straßenbenennung, die 1945 erfolgte, insbesondere für seine Verdienste als „Heimatforscher“ gewürdigt. Martina Steber hat Christian Franks Rolle in der Heimatschutzbewegung in Bayern untersucht, zu deren profiliertesten Vertretern er zählte. 1899 hatte Frank die heimatkundliche Zeitschrift „Deutsche Gaue“ begründet, die weite Verbreitung fand, und mit dem „Verein ‚Heimat‘“ außerdem ein bündisch organisiertes Heimatschutz-Netzwerk etabliert, innerhalb dessen er als Führerfigur agierte. Frank propagierte eine neurechte, völkische Variante des Heimatschutzes. Martina Steber: „Sein Denken radikalisierte sich seit der Jahrhundertwende zunehmend und integrierte schließlich biologistische, rassenhygienische und rassenanthropologische Denkmuster. Franks Antiliberalismus und Antisozialismus ließen ihn klar Stellung gegen die Weimarer Republik beziehen und die nationalsozialistische Machtübernahme freudig begrüßen.“

 

Bereits im Anschluss an Martina Stebers Vortrag hatte der Oberbürgermeister von Kaufbeuren, Stefan Bosse, Konsequenzen angekündigt. Eine Überprüfung durch den Kaufbeurer Stadtarchivar bestätigte nun die Recherchen der IfZ-Historikerin – eine Straßenbenennung nach Christian Frank sei nach dem heutigen Stand der Forschung nicht mehr vertretbar. Die Kurat-Frank-Straße, die bis 1945 pikanterweise Hermann-Göring-Straße hieß, soll nun einen neuen Namen erhalten.



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