Zur Geschichte der Treuhandanstalt und zur Privatisierung der ostdeutschen Wirtschaft liegen inzwischen viele Bücher vor, allerdings vornehmlich aus der Feder von Journalisten und Publizisten. Demgegenüber gibt es mehr als 25 Jahre nach der Wiedervereinigung nur einige wenige wissenschaftliche Darstellungen des Aufbaus Ost, die auch die Tätigkeit der Treuhandanstalt einschließen. Keine davon kann sich freilich auf Primärquellen stützen.
Das Forschungsprojekt des Instituts für Zeitgeschichte soll erstmals auf breiter Quellengrundlage Struktur und Arbeitsweise der Treuhandanstalt untersuchen und ihre Stellung im politischen Kräftefeld der Bundesrepublik sowie ihren Aktionsradius vor Ort näher bestimmen. Auf diese Weise soll die Frage nach dem historischen Ort der Treuhandanstalt im vereinigten Deutschland wissenschaftlich fundiert und empirisch abgesichert beantwortet werden. Darüber hinaus gilt es, die Treuhandanstalt als Instrument zur Lösung ökonomischer Probleme in den Blick zu nehmen. Schließlich sind die Folgen und Wirkungen der Privatisierungspolitik zu analysieren. Das Projekt bedient sich dabei aus dem breiten Methodenarsenal der Politik-, Kultur-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Mit dem Projekt soll die Debatte über den historischen Ort der Treuhandanstalt auf eine neue Grundlage gestellt werden: Ziel ist eine nüchterne Bestandsaufnahme. Dabei ist nicht daran gedacht, gewissermaßen handbuchartig alle Arbeitsfelder der Treuhandanstalt gleichermaßen abzudecken. Vielmehr werden anhand ausgewählter, zentraler Themenfelder Struktur und Arbeitsweise der Behörde exemplarisch untersucht.
Das Projekt besteht aus vier komplementär aufeinander bezogenen Teilen:
1. Die Treuhandanstalt im politisch-parlamentarischen Raum und die ordnungspolitischen Vorstellungen
a) Vom Hoffnungsträger zum Prügelknaben. Die Treuhandanstalt zwischen wirtschaftlichen Erwartungen und politischen Zwängen 1989-1994
(Bearbeiter: Andreas Malycha)
b) Communists into Capitalists: Die Genese des ostdeutschen Unternehmertums nach der Wiedervereinigung
(Bearbeiter: Max Trecker)
2. Die Privatisierungspolitik in der Region
a) Die Strategien der Treuhandanstalt/Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben zur Privatisierung der chemischen Industrie und Mineralölindustrie 1990–2000
(Bearbeiter: Rainer Karlsch)
b) Die Transformation der ostdeutschen Werftindustrie im Spannungsfeld von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft
(Bearbeiterin: Eva Lütkemeyer)
c) Akteursstrukturen und Privatisierungspraxis in der Transformation: Die Arbeit der Treuhandanstalt im Land Brandenburg 1990–1994
(Bearbeiter: Wolf-Rüdiger Knoll)
3. Gesellschaftliche Folgen und Debatten
a) Arbeitslosigkeit und Arbeitsmarktpolitik beim Übergang von der Plan- zur Marktwirtschaft und die Rolle der Treuhandanstalt 1988–1998
(Bearbeiter und Projektleiter: Dierk Hoffmann)
b) Kooperation – Konflikt – Kompromiss: Gewerkschaften, Treuhandanstalt und politische Kultur der Transformation Ostdeutschlands (1989–1994)
(Bearbeiter: Christian Rau)
4. Internationale Dimensionen der Privatisierungspolitik
a) Die Treuhand und das Engagement ausländischer Investoren nach (und vor) 1989
(Bearbeiter: Keith R. Allen)
b) Von Solidarność zur Schocktherapie: Ökonomisches Denken und Systemtransformation in Polen 1975-1995
(Bearbeiter: Florian Peters)
c) Privatisierung in der Tschechoslowakei/Tschechischen Republik in den 1990er Jahren
(Bearbeiterin: Eva Schäffler)