Hans-Christoph Seebohm – erster Bundesverkehrsminister und rechtskonservativer Politiker

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (IfZ):  Dr. Stefanie Palm
Projektinhalt:

Hans-Christoph Seebohm prägte als erster und am längsten amtierende Bundesverkehrsminister, als Sprecher der Sudetendeutschen Landsmannschaft sowie als stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Partei (DP) die politische Kultur der jungen Bundesrepublik entscheidend mit. Dazu trug nicht nur seine energische Amtsführung bei, sondern vor allem seine streitbaren Äußerungen. So führten etwa seine revisionistischen Sonntagsreden nicht selten zu ernsthaften Auseinandersetzungen im Bundeskabinett und riefen internationalen Protest hervor. Mit seinem Auftreten beeinflusste Seebohm nicht nur den Demokratisierungsprozess in der Bundesrepublik, er lotete auch die Grenzen des Konservativismus aus. Seine Biographie steht damit stellvertretend für die Karrieremuster und -brüche eines rechtskonservativen Politikers. Es verwundert darum umso mehr, dass die umstrittene Figur Seebohm bislang kaum erforscht ist.

Die revisionistischen Positionen erhalten mit Blick auf Seebohms NS-Vergangenheit zusätzliche Brisanz: Als Vorstandsvorsitzender eines in Familienhand liegenden sudetendeutschen Bergbauunternehmens profitierte er von „Arisierungsmaßnahmen“. Die Nähe und Distanz zum NS-Regime – seine individuelle Belastung – und vor allem sein Umgang damit in der Nachkriegszeit werden in der Biographie beleuchtet. Seebohms berufliches Selbstverständnis als Ingenieur und Industrieller und dessen Wandel mit dem Eintritt in die Bundespolitik sind ebenso von Interesse, wie die Kontinuität tradierter Vorstellungen von Gesellschaft und Ordnung. Der Blick auf Werte, Normen und Netzwerke zeigt, wie sich der erste Bundesverkehrsminister gegenüber einer sich wandelnden und pluralistischen Gesellschaft positionierte. Schließlich ist die Rolle zu klären, die Seebohm und die DP in der Bundesregierung spielten. Ausgehend vom biographischen Hintergrund wird gefragt, wie der Bundesverkehrsminister sein Ressort – auch in Abgrenzung zum ostdeutschen Pendant – prägte, und welche personal- und sachpolitischen Schwerpunkte er setzte. Welchen Einfluss nahm seine Doppelfunktion als Vertriebenen- und Verkehrspolitiker? Wo knüpften Seebohm und sein Ministerium gar an die nationalsozialistische Verkehrs- und Infrastrukturpolitik an? Schließlich rückt das Demokratieverständnis des ersten Verkehrsministers ins Zentrum und damit die Frage, in welchem Ausmaß er den politischen Diskurs und die demokratische Kultur der jungen Bundesrepublik beeinflusste.




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