Daneben zeigt die Studie auch mögliche Perspektiven für den weiteren Fortgang der Forschung auf und bietet Kriterien für Auswahl und Zuschnitt künftiger Forschungsvorhaben in staatlichen Einrichtungen an. „So würde es sich in einem nächsten Schritt lohnen, die Ressort- und Behördengrenzen zu verlassen und das Forschungsinteresse stärker an Querschnittsthemen und Politikfeldern auszurichten als an einzelnen Institutionen“, beschreibt IfZ-Direktor Andreas Wirsching künftige Untersuchungsdesigns. Für die zeitgeschichtliche Forschung aufschlussreich wären ferner längere, zäsurübergreifende Untersuchungszeiträume, die auch über 1933 und 1945/49 hinaus reichen ebenso wie eine vertikale Vertiefung exemplarischer Fragestellungen bis hinunter zu nachgeordneten Behörden bzw. auf die föderale und kommunale Ebene. „Damit könnte auch stärker die operative Ebene in den Länder- und Gemeindeverwaltungen in den Blick genommen und untersucht werden, inwieweit personelle oder inhaltliche Kontinuitäten aus der NS-Zeit im alltäglichen Behördenhandeln nachzuweisen sind.“ Einig sind sich die Bearbeiter der Studie darüber hinaus, dass der Blick auf die Institutionen der DDR ausgeweitet werden müsse: „Hier ließe sich auch der Transformationsprozess nach 1990 in Beziehung zu dem von 1945/49 setzen“, so Martin Sabrow.
Allerdings halten es die Historiker für nicht sinnvoll und wenig praktikabel, die Aufarbeitungsprojekte nun flächendeckend auf alle Institutionen und auf alle Hierarchieebenen auszudehnen. Künftige Forschungsprojekte sollten sich stattdessen vor allem nach der politischen und gesellschaftlichen Relevanz der Behörde richten. „Angesichts der vielen bereits erfolgten und sehr fruchtbaren Untersuchungen einzelner Ministerien und Behörden sollten weitere Projekte nun primär nach dem zu erwartenden Erkenntnisfortschritt ausgewählt werden“, fordert ZZF-Direktor Frank Bösch. „Dazu gehören neben einzelnen weiteren Bundesministerien", so Bösch, „besonders der Bundestag und das Bundeskanzleramt."
Die Studie für die BKM wurde zwischen Mai und Oktober 2015 erarbeitet und geht auf einen Beschluss des Deutschen Bundestags vom November 2012 zurück. Darin hatten die Abgeordneten die Bundesregierung aufgefordert, das IfZ und das ZZF mit der Erstellung einer Bestandsaufnahme laufender und abgeschlossener Forschungsprojekte zu beauftragen, die „bestehendes Wissen und aktuelles Erkenntnisinteresse“ zusammenführen solle. Diese Forderung fand im Herbst 2013 Eingang in den Koalitionsvertrag.
Die Broschüre zum Download:
Christian Mentel und Niels Weise: Die zentralen deutschen Behörden und der Nationalsozialismus. Stand und Perspektiven der Forschung, hg. von Frank Bösch, Martin Sabrow und Andreas Wirsching, München/Potsdam 2016 (188 Seiten).