Olympia-Anschlag 1972

Erinnerungskultur in Deutschland und Israel: Podiumsdiskussion am Rande der ersten Arbeitstagung zur Erforschung des Anschlags auf die israelische Olympiamannschaft

Vom 5. bis 7. September fand im IfZ die erste große Arbeitstagung der internationalen Historiker-Kommission und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Forschungsstelle zur Aufarbeitung des Anschlags auf die israelische Olympia-Mannschaft in München 1972 statt. Im Zentrum stand die Diskussion der wichtigsten Forschungsfragen und ein Workshop mit staatlichen Archiven und Behörden, um die für die Forschungsarbeit relevanten Aktenbestände vorzubereiten.

Teil der Forschung ist auch die Geschichte der Erinnerungskultur nach dem Anschlag. Das gesamte Team, zusammen mit Juliane Seifert, Staatssekretärin im Bundesministerium des Innern und für Heimat, besuchte am Rande der Tagung das Olympiagelände mit seinen verschiedenen Gedenkorten: Den Erinnerungsort im nördlichen Olympiapark, der im Jahr 2017 eröffnet wurde. Kuratorin Piritta Kleiner erläuterte dort dessen Entstehungsgeschichte. Das Team passierte auch den Klagebalken, das Denkmal für die Opfer des Anschlages, das 1995 im Olympiagelände errichtet wurde. Und schließlich gingen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler durch das ehemalige Olympische Dorf zur Connollystraße 31, wo 51 Jahre zuvor die Terroristen die elf israelischen Sportler als Geiseln nahmen. Vor der Türe des Hauses erinnert eine Gedenktafel, die bereits 1972 dort aufgestellt worden war, an die Opfer.

Um Erinnerung ging es auch in der Abendveranstaltung in der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. „München 1972: Gespaltenes Gedenken? Das Olympia-Attentat in der Erinnerungskultur Deutschlands und Israels“ war der Titel der Podiumsdiskussion, die von Eva Oberloskamp, der wissenschaftlichen Geschäftsführerin des Aufarbeitungsprojektes moderiert wurde. Grußworte sprachen neben Markus Schwaiger, Präsident der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und Staatsekretärin Juliane Seifert auch Talya Lador-Fresher, Generalkonsulin des Staates Israel, Ludwig Spaenle, Beauftragter der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, für Erinnerungskultur und geschichtliches Erbe, und Ankie Spitzer, Witwe des ermordeten Fechttrainers Andreij Spitzer. Spitzer sandte ihre Botschaft per Video und verfolgte die Veranstaltung per Livestream mit simultaner Hebräisch-Übersetzung. 51 Jahre habe sie auf diesen Moment gewartet, sagte Spitzer und dankte dem Historiker-Team schon jetzt „aus tiefstem Herzen.“ Sie sei voller Hoffnung und voller Erwartungen.

Wandel in der deutschen Erinnerungskultur

Der Anschlag auf die israelische Olympiamannschaft, so führt Eva Oberloskamp zu Beginn der Podiumsdiskussion aus, sei bis heute von großer Aktualität, auch für die deutsche Politik und die deutsch-israelischen Beziehungen. Roman Deininger, Chefreporter der Süddeutschen Zeitung und mit Uwe Ritzer Autor des Buches „Die Spiele des Jahrhunderts. Olympia 1972, der Terror und das neue Deutschland“, beschrieb die deutsche Erinnerungskultur. „Der deutsche Blick war immer: Unsere heiteren Spiele sind überschattet worden, aber diesen Schatten wollen wir so wenig wie möglich wahrnehmen.“ Erst eine neue Generation Politiker, die sich selbst nicht mehr belasteten konnte, habe diesen Knoten durchbrechen können - und auch das nur nach großem Druck der Hinterbliebenen. Kay Schiller, Professor an der Universität Durham und Spezialist für Sport- und Kulturgeschichte, ergänzte, dass erst nach 1990, als Deutschlands Erinnerungspolitik seinen Fokus von der Aufarbeitung der NS-Verbrechen weg und auf die Verbrechen in der DDR richtete, auch eine neue Auseinandersetzung mit dem Attentat auf die israelische Olympia-Mannschaft begann.

Petra Terhoeven von der Universität Göttingen, die zum Umgang mit den Opfern politischer Gewalt forscht und Mitglied der Historiker-Kommission ist, war erst kürzlich zusammen mit Lutz Kreller vom IfZ für das Aufarbeitungsprojekt in Israel und traf dort Hinterbliebene und Überlebende und deren Familien. Immer wieder hörte sie dort den Satz „Es fühlt sich an, als sei es gestern gewesen.“ Shlomo Shpiro von den Bar-Ilan-Universität in Tel Aviv und ebenfalls Mitglied der Historiker-Kommission, betonte die tiefe Verankerung des Anschlags im Bewusstsein der israelischen Gesellschaft. Anders als viele andere terroristische Anschläge auf israelische Zivilisten sei München 1972 nicht in Vergessenheit geraten und auch bei jüngeren Menschen in Israel sehr präsent.

Das Video der Podiumsdiskussion ist in der Mediathek der Bayerischen Akademie der Wissenschaften abrufbar.

Weitere Informationen zum Forschungsprojekt:

https://www.ifz-muenchen.de/aktuelles/artikel/muenchen-1972-kommission

https://www.ifz-muenchen.de/aktuelles/themen/muenchen-1972



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