Tagungs-Telegramm

Von links nach rechts: Christina Morina (Duitsland-Instituut), Bart van der Boom (Universität Leiden), Krijn Thijs (Duitsland-Instituut), Frank Bajohr (IfZ - Zentrum für Holocaust-Studien), Katja Happe (Universität Freiburg), Moritz Föllmer (Universität Amsterdam)

 

Was wussten die Deutschen, was die Niederländer vom Holocaust? Am 1. November 2013 präsentierte <link record:tx_flmifzdb_employees:145 internal-link>Frank Bajohr, Leiter des Zentrums für Holocaust-Studien, im Graduiertenkolleg des Duitsland-Instituuts der Universität Amsterdam eigene Forschungen zum zeitgenössischen Verhalten und den Reaktionen der deutschen Bevölkerung auf den Holocaust. Anlass war ein Historikerstreit, der sich in den Niederlanden an einem Buch des Leidener Historikers Bart van der Boom entzündet hatte. Auf der Basis einer quantitativen Analyse niederländischer Tagebücher war van der Boom zu dem Schluss gekommen, dass die Niederländer in der Zeit deutscher Besatzung über keine genauen Kenntnisse über den Holocaust verfügten und sich andernfalls in sehr viel größerem Umfang an Rettungsaktivitäten beteiligt hätten. Die Veranstaltung unter dem Titel „Gewusst oder nicht gewusst? Kenntnis und Vorstellungen über den Holocaust in den besetzten Niederlanden und in Deutschland“ zielte darauf ab, die verinselte Debatte in den Niederlanden durch die Einbeziehung Deutschlands zu erweitern und gleichzeitig zu versachlichen. Die kritisch, aber konstruktiv geführte Debatte kreiste um Fragen nach dem Zusammenhang von Wissen und Handeln, fragte aber auch quellenkritisch nach dem Aussagewert zeitgenössischer Tagebücher und den Problemen ihrer quantitativen Auswertung. Frank Bajohr machte deutlich, dass es unter den damaligen Bedingungen kein umfassendes Gesamtwissen der damaligen Zeitgenossen über den Holocaust geben konnte. Vielmehr kam es auf deren Bereitschaft an, aus den zahlreichen Einzelinformationen auf ein Gesamtbild zu schließen.

Insgesamt machte die Diskussion deutlich, dass die Kategorie des „Bystanders“ – verstanden als unbeteiligte Zuschauer – weder für die damaligen deutschen noch niederländischen Zeitgenossen zutrifft und kritischer Revision bedarf. Das Duitsland Instituut und das Zentrum für Holocaust-Studien wollen sich diesen Fragen mittelfristig auf einer Konferenz widmen, die voraussichtlich 2015 stattfinden wird.



© Institut für Zeitgeschichte
Content