Die Suchdienste des Deutschen Roten Kreuzes in der Bundesrepublik und DDR. Eine Beziehungsgeschichte zwischen humanitärem Auftrag und Politik im Kalten Krieg, 1946-1994

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (IfZ):   Kristina Gunne
Projektinhalt:

Die Endphase des Zweiten Weltkrieges und die unmittelbare Nachkriegszeit brachten Fluchtbewegungen, Deportationen und unorganisierte Truppenbewegungen. Von unzähligen Menschen fehlte zu Kriegsende jede Spur. Jeder vierte Bewohner in Deutschland war entweder vermisst oder selbst auf der Suche nach seinen Angehörigen. Die Folge war die größte Vermisstensuche in der Geschichte. Auf der Suche hinterließen die Menschen in Städten ihre Gesuche an Hauswänden, Litfaßsäulen oder Straßenlaternen. Diese zunächst unorganisierten und improvisierten Eigeninitiativen führten in den vier Besatzungszonen zur Gründung privater, wohlfahrtsorganisatorischer sowie staatlicher Suchdienste. Die Teilung Deutschlands in West und Ost ließ schließlich zwei Suchdienste entstehen: die Suchdienstarbeitsgemeinschaft in den westlichen Besatzungszonen und der Suchdienst für vermisste Deutsche in der sowjetischen Besatzungszone. Die Erfolge der Suche hingen aber wesentlich von der Reichweite und der Kooperation der Suchdienste ab. So gab es zu Beginn durchaus Bestrebungen für einen gesamtdeutschen Suchdienst, die 1946 zur ersten Suchdienstvereinbarung führten.

Mit der Gründung zweier deutscher Staaten 1949, fanden diesen Anstrengungen allerdings ein Ende. Die Suchdienste in der Bundesrepublik und der DDR institutionalisierten sich getrennt voneinander: In der Bundesrepublik erteilte das Bundesministerium des Innern 1950 dem DRK den staatlichen Suchauftrag. In der DDR war der Suchdienst für vermisste Deutsche seit 1949 der Volkspolizei unterstellt. Die Zusammenarbeit zwischen den beiden deutschen Suchdiensten wurde fortgesetzt und schließlich im Januar 1955 auf eine gemeinsame Wertebasis gestellt, als die Suchdienstaufgabe auch in der DDR an das neu gegründete DRK in der DDR übergeben wurde. Nachdem dieses 1954 vom Internationalen Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) anerkannt worden war, konnten die beiden DRKs als gleichberechtigte Partner zusammenarbeiten und unterlagen fortan einer gemeinsamen Wertegemeinschaft, die den humanitären Auftrag und die bewusst apolitische Haltung des Roten Kreuzes ins Zentrum ihrer Arbeit stellten. Dennoch agierten sie nicht unabhängig von den politischen Krisen und der deutsch-deutschen Politik im Kalten Krieg.

Das Dissertationsprojekt nimmt diese gemeinsame Haltung der DRK-Suchdienste zum Ausgangspunkt seiner Betrachtungen. Ziel ist es eine Beziehungsgeschichte beider deutscher Staaten im Bereich der humanitären Arbeit zu schreiben. Als Akteure der gleichen Organisation und dennoch als eigenständige kooperierende Gesellschaften bieten sie die Basis zu einer verflochtenen deutsch-deutschen Geschichte und verzahnen organisations- und humanitätsgeschichtliche Aspekte. Das Projekt analysiert anhand von drei Arbeitsfeldern der Suchdienste – dem Kindersuchdienst, der Familienzusammenführung und der Betreuung deutscher Häftlinge in den Gefängnissen der DDR –seine Rolle als Akteur zu sich selbst, in Politik und Gesellschaft und auf internationaler Ebene und fragt dabei nach gesellschaftlicher Wahrnehmung und nationaler wie internationaler Bedeutung der Suchdienste.




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