Am 18. November stellte Frank Bajohr im Warburg-Haus in Hamburg gemeinsam mit den Mitherausgebern Beate Meyer und Joachim Szodrzynski eine Publikation vor, die am Beispiel von vier Tagebüchern nach den subjektiven Wahrnehmungen von Zeitgenossen im Jahr der NS-Machtübernahme 1933 fragt. Dabei wird deutlich, dass Ereignisse, die Historiker später als Einschnitt bezeichneten, von den Zeitgenossen oft keineswegs als solche wahrgenommen wurden. Anhand der Tagebücher des jüdischen Rechtsanwalts Kurt Rosenberg, der Lehrerein Luise Solmitz, des Bankiers Cornelius von Berenberg-Goßler und des Archivars Nikolaus Sieveking entfaltet sich ein breites Spektrum sehr unterschiedlicher Wahrnehmungen und Einschätzungen. Im Alltag waren die Zeitgenossen zudem in sehr unterschiedlicher Weise von den Umwälzungen betroffen; auch die unterschiedlichen Motive und Funktionen des Tagebuchs für die jeweiligen Verfasser treten deutlich hervor. Das Verhalten der damaligen Zeitgenossen orientierte sich nicht allein an den klassischen Polen von Zwang und Terror einerseits und Begeisterung andererseits. Vielmehr erlauben die Tagebücher einen Einblick in die damalige alltägliche Verhaltenspraxis der Zeitgenossen, die nicht allein auf äußere Anforderungen reagierten, sondern zugleich ihre eigenen Interessen in die „neue Zeit“ einbrachten und diese dadurch aktiv mitgestalteten.
Frank Bajohr/Beate Meyer/Joachim Szodrzynski (Hrsg.), Bedrohung, Hoffnung, Skepsis. Vier Tagebücher des Jahres 1933, Wallstein Verlag, Göttingen 2013
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