Das Judasfeuer. Geschichte und Gegenwart eines antisemitischen Osterbrauchs im deutschsprachigen Raum

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (IfZ):  Dr. Andreas Rentz
Projektinhalt:

Das vorliegende Projekt untersucht die Entstehung und Entwicklung des Judasfeuers, eines international verbreiteten Osterbrauchs mit antisemitischem Charakter. Erst 2019 löste das „Judasgericht“ im polnischen Pruchnik einen internationalen Skandal aus, als eine mit Hakennase und orthodoxer Haartracht gestaltete Judasfigur verbrannt wurde. Ähnliches Brauchtum existiert auch im deutschsprachigen Raum, doch fehlt bislang eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Phänomen. Dieses Desiderats möchte sich das folgende Projekt annehmen.

Dabei ergeben sich folgende Leitfragen: Unter welchen Umständen ist das Judasfeuer entstanden und wie hat es sich im weiteren Verlauf entwickelt und ggf. verändert? Welche soziale Funktion hatte es, insbesondere zur Zeit des Nationalsozialismus? Wie und warum entstand das Narrativ eines vermeintlich heidnischen Ursprungs? Und nicht zuletzt: Inwiefern ist es als antisemitisch zu qualifizieren? Das Projekt zeichnet deshalb die historischen Ursprünge und Entwicklungen dieses immer noch praktizierten Brauchs nach und leistet damit einen Beitrag zur historischen Antisemitismusforschung auf einem Gebiet, das bislang nie systematisch untersucht wurde.

Diese Fragen sind nur durch einen interdisziplinären methodischen Ansatz zu beantworten, der in der historischen Ritualforschung zu verorten ist. Der Untersuchungsgegenstand ist räumlich auf den deutschsprachigen Raum begrenzt, berücksichtigt aber neben den heutigen Staaten Deutschland und Österreich auch die dem früheren Deutschen Reich zugehörigen Regionen Schlesien, Sudetenland und Elsaß-Lothringen. Zeitlich ist die gesamte Geschichte des Judasfeuers von seinen frühesten Belegen im 17. Jahrhundert bis ins 20. Jahrhundert zu behandeln, wobei aufgrund der deutlich besseren Quellenlage der Fokus auf dem späten 19. und 20. Jahrhundert liegt. Da der Brauch auch heute noch praktiziert wird, ist das Projekt auch für die Gegenwart des Antisemitismus relevant.

Meschede (1979), Archiv für Alltagskultur in Westfalen, Sammlung Bildarchiv, Inv.-Nr. 0000.76717, Fotograf: Dietmar Sauermann



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