In der öffentlichen Wahrnehmung gelten die Treuhandanstalt und die Gewerkschaften nicht selten als Antipoden im wirtschaftlichen Transformationsprozess Ostdeutschlands. Anfänglich gestärkt durch einen rasanten Mitgliederzuwachs, schossen sich exponierte Gewerkschaftsfunktionäre medienwirksam auf die „neoliberale Privatisierungsmaschine“ ein, die sie für den „Ausverkauf“, die Massenentlassungen und die verfehlte Integration Ostdeutschlands verantwortlich machten. Die Bundesregierung und die Treuhandanstalt betonten dagegen die wirtschaftliche Ineffizienz der DDR-Planbürokratie, die einen bruchlosen Übergang in die soziale Marktwirtschaft behindert habe. Jenseits solcher stereotypen Zuschreibungen gestaltete sich die Beziehung zwischen der Treuhandanstalt und den Gewerkschaften als komplexeres Wechselspiel von Kooperation, Konflikt und Kompromiss. Die Studie möchte ergründen, ob sich bestimmte zeitliche Konjunkturen im Verhältnis von Treuhandanstalt und Gewerkschaften festmachen lassen und, wenn ja, welche Bedingungen dem zugrunde lagen. Dabei wird das Verhältnis zwischen beiden Akteuren in den Kontext der politischen Kultur der Transformation eingeordnet. Dadurch geraten Aspekte in das Zentrum der Analyse wie etwa Kommunikationskulturen und -strukturen, öffentliche Diskurse, statistische Praktiken und wissenschaftliche Expertise, Erfahrungsräume (national-regional-lokal/Ost-West), Gewerkschaftskulturen sowie innergewerkschaftliche Debatten und Konflikte. Insbesondere soll dabei die Rolle der Gewerkschaften für die Sozial-und Arbeitsmarktpolitik der Treuhandanstalt vermessen werden. Damit wird ein Politikfeld aufgegriffen, das bislang zugunsten der (skandalträchtigeren) Privatisierungspolitik der Behörde unbeachtet geblieben ist, aber historiographisch von ebenso großer Bedeutung ist, wenn es darum geht, die Treuhandanstalt in der (gesamt-)deutschen Transformationsgesellschaft zu verorten.