Legenden „elegant auseinandergenommen“

Das österreichische Wochenmagazin „Profil“ über Margit Reiters Aufsatz über den NS-Funktionär und FPÖ-Gründungsobmann Anton Reinthaller im Oktoberheft

Als Anton Reinthaller 1956 zum Gründungsobmann der FPÖ wurde, hatte er bereits eine bemerkenswerte politische Karriere hinter sich. Bis zum Landwirtschaftsminister der österreichischen Anschlussregierung 1938/39 und dann zum Unterstaatssekretär im Kabinett Hitler hatte der gebürtige Oberösterreicher es gebracht. Die Wiener Historikerin Margit Reiter untersucht in ihrem Beitrag in der Oktoberausgabe der VfZ diesen aufschlussreichen politischen Lebenslauf, wobei sie die Legenden, die sich um Reinthaller ranken, „elegant auseinandernimmt“ – so Christa Zöchling vom österreichischen Wochenmagazin „Profil“. In der aktuellen Ausgabe (profil 38, 17. September 2018, S. 25-28) zeichnet sie, gestützt auf Reiters Befunde, ein Profil des ersten Vorsitzenden der FPÖ, der sich vor dem Volksgericht Wien 1950 als reinen Idealisten darstellte, der nur das Gute gewollt habe. „Ein Nazi aus Versehen“, kommentierte die Zeitung der SPÖ. Der Mehrheit der Österreicher habe Reinthaller mit seinen verallgemeinernden Unschuldsbekundungen aber wohl aus dem Herzen gesprochen, meint Zöchling. Diese Stimmungslage erklärt wohl auch das milde Urteil und die baldige Begnadigung Reinthallers, die ihm den erneuten Weg in die Politik eröffnete. Reiters konzise Analyse macht deutlich, wie sehr ihm dabei seine stets um Verständigung innerhalb des rechtsextremen Lagers bemühte Haltung behilflich war. Die Historikerin hat erstmalig Reinthallers Nachlass im Oberösterreichischen Landesarchiv ausgewertet. Zu den Archiven der FPÖ wurde ihr der Zugang verweigert. Umso gespannter darf man sein, zu welchen Befunden die Historikerkommission der FPÖ kommen wird, die als Folge des Skandals um extrem antisemitisches Liedgut im Gesangsbuch der Wiener Burschenschaft „Germania“ und deren stellvertretenden Vorsitzenden, den FPÖ-Politiker Ulf Landbauer, beschlossen wurde. Außer dem Namen des Leiters, des Juristen, Rechtshistorikers und FPÖ-Politikers Wilhelm Brauneder, ist über die Zusammensetzung der Kommission nichts bekannt. Dieses Geheimnis soll im Herbst gelüftet und auch ein erster öffentlicher Zwischenbericht vorgelegt werden. Wer gegenwärtig die FPÖ-Website nach dem Namen ihres Gründungsvorsitzenden durchsucht, erhält die Mitteilung „Nichts gefunden“. Wer die Seite der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte aufsucht, kann hingegen ab Anfang Oktober bis zum Erscheinen des Januarhefts 2019 Margit Reiters Aufsatz im free access lesen.



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