Zum Tod von Fritz Stern (1926-2016)

Der bedeutende deutsch-amerikanische Historiker Fritz Stern, der am 18. Mai 2016 im Alter von 90 Jahren verstorben ist, ist stets ein aufmerksamer Beobachter seines Geburtslandes geblieben, aus dem seine jüdische Familie 1938 vor nationalsozialistischer Verfolgung geflohen war. Insbesondere war er an der Entwicklung der Geschichtswissenschaft interessiert und hatte deshalb stets auch das Institut für Zeitgeschichte im Blick, wo er zu einigen Mitarbeitern über viele Jahre hinweg Kontakte hatte.
 
Den VfZ stellte er zu ihrem 50jährigen Jubiläum 2003 folgendes Zeugnis aus: „Die Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte sind für Zeitgeschichte und Zeithistoriker unentbehrlich, für Bürger ein Beweis, dass strenge Wissenschaft auch aufklärerisch und spannend sein kann.“

Die aufklärerische Funktion der Geschichtsschreibung war ihm stets wichtig. Das Ende seines Rezensionsessays über Hans Mommsens Geschichte der Weimarer Republik, „Die verspielte Freiheit“, den er 1990 in den VfZ veröffentlichte (H. 3, S. 492-497, freier Download unter <link http: www.ifz-muenchen.de heftarchiv _blank external link in new>www.ifz-muenchen.de/heftarchiv/1990_3.pdf), gibt einen lebendigen Eindruck davon und enthält zugleich eine höchst aktuelle Mahnung:

„Jetzt, wo der Kommunismus in die Brüche gegangen ist (und in vielen Kreisen, besonders in den USA und in Deutschland, werden fälschlicherweise Kommunismus und Sozialismus gleichgesetzt), wird der ‚freien Marktwirtschaft‘ als der allein gültigen Form gehuldigt. Aber gerade in der Zeit des Kommunismus-Verfalls und der neuen Marktaufwertung verfiel Amerika der Reaganschen Euphorie des freien Marktes, die eine tiefe soziale Misere bewirkte, im finanzpolitischen wie im sozialen Leben, einen Skandal von schwindelhaften Bankspekulationen und das doppelte Defizit - all das mit lächelnder verklärter Miene.
In der Geschichte Weimars stecken viele Lehren. Das nüchterne und doch aufregende Buch von Hans Mommsen hat den Titel: Die verspielte Freiheit. Aber (gerade auch nach seiner Analyse) vielleicht auch: die verkaufte Freiheit?
Das neue Deutschland und das neue Mittel- und Osteuropa stehen vor ungeahnten Möglichkeiten und Gefahren. Noch weht der Wind der Aufklärung, das Ringen um ein ehrliches Geschichtsbild, noch existiert der Havel-Geist und noch ist die Erinnerung an die kommunistische Diktatur wach. Aber in kommenden Zeiten des unvermeidlichen Kampfes, der Schwierigkeiten der ‚transition‘, sollte das Beispiel Weimar, von Mommsen neu geschildert, zugleich Warnung und Mahnung bedeuten.“



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