Heft 4/2022

  • Andreas Wirsching: Zeit als Ressource zwischen Bonn und Paris. Der Straßburger EG-Gipfel vom 8./9. Dezember 1989, die Europäische Währungsunion und die deutsche Einheit. (A) - Ins Heft gezoomt, Artikel Der Spiegel
  • Lukas Grawe: Wehrpflicht, Aufrüstung und Jugendschutz. Die Entstehung des Jugendschutzgesetzes von 1938 zwischen militärischen und sozialpolitischen Motiven. (A)
  • Hubert Wolf: Verschlossen, verwechselt, verlegt, verbrannt. Das Schicksal der Weihnachtsansprache Pius’ XII. von 1942. (A) - Artikel FAZ, Artikel Die Presse, Artikel Die Welt
  • Podium Zeitgeschichte: Islam und internationale Politik. Neue Perspektiven auf die Zeitgeschichte des Nahen und Mittleren Ostens zwischen Kaltem Krieg und Dekolonialisierung: Matthieu Rey, Manfred Sing, Hatem Elliesie und Esther Möller. - Ins Heft gezoomt, Podiumsdiskussion
  • VfZ-Schwerpunkt: Amanda Eubanks Winkler: Der Thatcherismus und Andrew Lloyd Webbers Musicals. - Beilagen

 

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Abstracts

Andreas Wirsching, Zeit als Ressource zwischen Bonn und Paris. Der Straßburger EG-Gipfel vom 8./9. Dezember 1989, die Euro­päische Währungsunion und die deut­sche Einheit

 

Der Aufsatz behandelt die umstrittene Frage, wie sich die Entscheidung für die Europäische Wirt­schafts- und Währungsunion und die Perspektive einer deutschen Wiedervereinigung zu­ein­ander verhielten. Hatte beides – wie viele behaupteten – nichts miteinander zu tun? Oder gab es doch ein implizites Do ut Des? Diese Frage stellt sich primär in Bezug auf die deutsch-fran­zösischen Beziehungen, die sich im Vorfeld des Straßburger EG-Gipfels vom 8./9. De­zem­ber 1989 prekär zuspitzten. Auf der Basis zahlreicher erstmals ausgewerteter Archiv­quel­len gibt der Autor hierauf eine klare Antwort, indem er den Schwerpunkt der Analyse auf die zwi­schen Paris und Bonn divergierenden Zeithorizonte legt. Am Ende gelang es beiden Seiten, ihre unterschiedlichen Ziele durchzusetzen und somit auf dem Straßburger Gipfel eine Win-Win-Situation zu erzeugen.

 


Lukas Grawe, Wehrpflicht, Aufrüstung und Jugendschutz. Die Entstehung des Ju­gend­schutz­gesetzes von 1938 zwischen militärischen und sozialpolitischen Motiven

 

Basierend auf Behauptungen ostdeutscher Historiker hat sich in der Geschichtsschreibung das Bild verfestigt, das nationalsozialistische Jugendschutzgesetz sei allein aus mi­litärischen Gründen erlassen worden. Dabei gibt es zu diesem Gesetz kaum Forschungen, die auf einem breiten Quellenfundament ruhen. Der Beitrag geht von diesem Problem aus und un­­­terzieht die Genese des Jugendschutzgesetzes einer umfassenden Analyse. Dabei ver­deutlicht der Autor, dass Sozialpolitik im Dritten Reich nicht der Umverteilung finanzieller Las­­ten diente, sondern der wirtschaftlichen Kriegsvorbereitung, der Wehrhaftmachung der Be­­völ­kerung, der Schaffung einer „Volksgemeinschaft“ durch Inklusion und Exklusion, der Prop­aganda und schließlich der politischen Indoktrination.

 


Hubert Wolf, Verschlossen, verwechselt, verlegt, verbrannt. Das Schicksal der Weih­nachts­ansprache Pius’ XII. von 1942

 

Die Weihnachtsansprache von 1942 gilt als der einzige Text, in dem sich Papst Pius XII. öf­fent­lich zum Holocaust geäußert hat. Nach der Öffnung der vatikanischen Archive im März 2020 ist es möglich, die mehrstufige Textgenese vom ersten deutschen Entwurf aus der Feder des Sozialethikers Gustav Gundlach bis zur gedruckten italienischen Endfassung nach­zu­voll­zie­hen. Dabei steht die Frage im Vordergrund, ob die Passage, die auf die Shoah bezogen wer­­den kann, auf Pius XII. selbst zurückgeht und welche Umstände den Papst dazu brachten, seine lang andauernde Zurückhaltung aufzugeben. Schließlich geht es um die Begriffs- und Re­zeptionsgeschichte des Texts: Wie wurde er verstanden, und wen sprach der Papst an? Da­bei fällt auch ein kritischer Blick auf den Umgang des Päpstlichen Komitees für Ge­schichts­wis­senschaft mit vatikanischen Quellen.

 


Podium Zeitgeschichte: Islam und internationale Politik. Neue Perspektiven auf die Zeit­­­geschichte des Nahen und Mittleren Ostens zwischen Kaltem Krieg und De­ko­lo­nia­lisierung

 

Die Geschichte des Islam – seine Rolle als Faktor internationaler Politik und transnationaler Ver­­flechtung – spielt in der deutschen und europäischen Zeitgeschichtsforschung bislang nur ei­ne marginale Rolle. Das Podium Zeitgeschichte unternimmt den Versuch einer „De-Pro­vin­zia­lisierung“ des Islam und bringt ihn mit ideengeschichtlichen Universalismen und Tra­di­tio­nen ins Gespräch, die von der bisherigen Forschung überwiegend westlich-europäisch kon­no­tiert werden. Dazu zählen Debatten um Islam und Nation im Dekolonialisierungsprozess (Matthi­eu Rey) ebenso wie konkurrierende Vorstellungen der Vereinbarkeit von Islam und sä­ku­­larem Sozialismus (Manfred Sing). Hatem Elliesie befasst sich mit islamischen Men­schen­rechts­verständnissen und ihrem Verhältnis zu westlichen Deutungskonzepten. Den Abschluss bildet Esther Möllers Beitrag zu Konzepten und Praktiken humanitärer Hilfe islamisch ge­präg­ter Organisationen im Spannungsfeld von arabischem Nationalismus, Dekolonisation und Kal­tem Krieg.

 


Amanda Eubanks Winkler, Der Thatcherismus und Andrew Lloyd Webbers Musicals

 

Dieser Aufsatz umreißt die zentralen Grundsätze des Thatcherismus und geht der Frage nach, ob und wie sie in Andrew Lloyd Webbers Œuvre der 1980er Jahre inszeniert wurden. Die Autorin konzentriert sich auf drei Musicals, die oft mit Thatcheristischer Ästhetik in Verbindung gebracht wurden: „Cats“ (1981), „Starlight Express“ (1984) und „Das Phantom der Oper“ (1986). Der Beitrag zeigt, wie die Musiksprache und Dramaturgie dieser Musicals an größeren kulturellen, vom Thatcherismus geprägten Diskursen partizipierten, die „traditionelle Werte“ lobten und von einer „glorreichen“ britischen Vergangenheit schwärmten, die ihre Stimme gegen Elitedenken erhoben und die die Wahrnehmung der Rolle des Staats und die Beziehung zwischen dem Individuum und dem Staat verschoben.

 



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